Die Blockade der Klippenspringerin auf 21 Metern
In Sisikon am Vierwaldstättersee stürzten sich am Wochenende die weltbesten Springer ins Wasser. Die Favoritin konnte sich nicht überwinden.
Der Weg ist Routine. Die erste Leiter runter, der wacklige Steg mit den Blumenkasten am Geländer, direkt an der Felswand, das Panorama über den Urnersee hat bei diesem Wetter Bildschirmschoner-Potenzial. Anna Bader hat dafür keine Zeit.
Nach rund zehn Metern folgt die zweite Leiter, sie bringt sie auf die Plattform, von der sie gleich in den See springen soll, aus 21 Metern. Die Deutsche winkt den Zuschauern zu, sie schickt einen Kuss zu ihrem Ehemann. Bis sie mit den Zehen an der Kante der Plattform steht.
Die 34-jährige Anna Bader ist eine Grösse in der Szene. Der Veranstalter Red Bull betitelt sie in einem Interview als Grande Dame des Sports. Hunderte Sprünge hat die Sprachlehrerin bereits gezeigt, auch an diesem Samstag bereits einen. Dann die Blockade. Bader steht lange da, überlegt es sich wieder und wieder. Und winkt ab. Die routinierte Springerin stürzt sich an diesem Tag nicht noch ein zweites Mal in die Tiefe.
Promo, Dorffest, Olympia
Baders misslungener Versuch zeigt die mentale Herausforderung beim Cliff Diving, das an diesem ersten August-Wochenende in Sisikon, direkt an der berühmten Axenstrasse stattfindet. Texas, Bilbao und die Azoren-Insel São Miguel waren die bisherigen Stationen der Tour. Es folgen Kopenhagen, Mostar in Bosnien und Polignano a Mare in Italien. Mittendrin: Sisikon, das 370-Einwohner-Dörfchen im Herzen der Schweiz, das an gewöhnlichen Tagen vor allem für viel Verkehr auf Strasse und Schiene in Richtung Tessin steht.
Der einzige Schweizer, Matthias Appenzeller, bei seinem Debüt auf der ganz grossen Bühne. Video: Tim Ehrensperger, Marcel Rohner, mit Material von Red Bull.
An diesem Wochenende aber ist der österreichische Energy-Drink-Krösus da. Und er veranstaltet etwas, das so ziemlich alles ist. Ein bisschen Promo-Event für die Dose mit den zwei Bullen, die dennoch vier Franken kostet. Ein bisschen Dorffest, die meisten Mitarbeiter an den Ständen sind Freiwillige. Ein bisschen Olympia, der mehrfache Medaillengewinner im Turm- und Kunstspringen Greg Louganis führt Interessierte über die Plattform. Und gesprungen wird auch noch. Saltos, Schrauben, Handstände, die Athleten machen beste Werbung für einen wachsenden Sport.
Die Konkurrenten als Fans
Anna Bader aber macht sich auf den Weg zurück, die Leiter hoch, den wackligen Steg mit den Blumenkasten entlang. Noch einmal winkt sie den Zuschauern zu, die es sich im Seebecken auf Gummibooten, Gummiflamingos oder Gummieinhörnern gemütlich gemacht haben, so dicht aneinander, dass man übers Wasser spazieren könnte, ohne nass zu werden.
Die grössten Fans jedoch, sie warten oben auf Bader, es sind die anderen Springer und Springerinnen, die Konkurrenz. Wenn jemandem ein Sprung gelingt, schreit und pfeift die kleine Familie ihre Begeisterung raus, wenn jemand eine Blockade hat, wie heute Bader, wird getröstet und umarmt. «Man unterstützt sich immer und wünscht den anderen nichts Schlechtes», sagt Bader danach. Schliesslich seien unsaubere Sprünge oft mit Verletzungen verbunden.
Starkes Debüt von Appenzeller
Enttäuscht scheint sie nicht, eher erlöst darüber, dass sie den Mut gefunden hat, auf den Sprung zu verzichten. «In meiner Konzentrationsphase habe ich mich einfach nicht zu 100 Prozent wohl gefühlt. Körperlich, aber auch mental konnte ich mir den Sprung vor meinem inneren Auge nicht gut vorstellen», erklärt sie. Körperlich, weil sie gerade eine Knöchelverletzung hinter sich hat.
Bader nahm am Sonntag nicht mehr am Wettbewerb teil. Ganz im Gegensatz zu Matthias Appenzeller. Der einzige Schweizer erreicht bei seiner Premiere in der «Champions League des Cliff Divings», wie er es nennt, den 10. Platz, 14 Männer sind gesprungen. Es ist ein beachtliches Debüt für Appenzeller.
Dieser Artikel wurde automatisch aus unserem alten Redaktionssystem auf unsere neue Website importiert. Falls Sie auf Darstellungsfehler stossen, bitten wir um Verständnis und einen Hinweis: community-feedback@tamedia.ch