Die Ärzte haben sich selbst isoliert
Redaktorin Brigitte Walser zu Kostenfragen im Gesundheitswesen.
Wer über das Schweizer Gesundheitswesen spricht, landet sehr schnell beim Thema Geld. Gemäss der Konjunkturforschungsstelle der ETH geben wir demnächst 10 000 Franken pro Kopf und Jahr für die Gesundheit aus.
Ob dieser Preis gerechtfertigt ist und was uns Gesundheit in Franken gemessen wert ist, lässt sich kaum genau bestimmen. Fest steht aber, dass viele Menschen insbesondere die Krankenkassenprämien als zu grosse Belastung empfinden.
Dagegen will die SP etwas unternehmen.Die SP-Delegierten haben am Wochenende die Ausarbeitung einer Initiative beschlossen, welche die Last der Krankenkassenprämien bei 10 Prozent des Haushaltseinkommens deckelt. Das mag gewisse Haushalte finanziell erleichtern.
Die gesamten Gesundheitsausgaben werden aber trotzdem weiterhin steigen. Mit einer solchen Deckelung spart man keinen Franken ein, sondern lagert die Kosten einfach um – wir würden diese vermehrt über Steuern bezahlen müssen. Die Stimmbürger im Kanton Aargau haben ein solches Begehren kürzlich deutlich abgelehnt.
Echtes Sparpotenzial haben hingegen die Pläne des Bundesrats. SP-Gesundheitsminister Alain Berset hat im März Eingriffe in den ambulanten Ärztetarif Tarmed in die Vernehmlassung geschickt.
Bei den gut 10 Milliarden Franken, die über den Tarmed abgewickelt werden, sei ein Einsparpotenzial von 700 Millionen Franken vorhanden. Gewisse Tarife bei Spezialärzten sind aufgrund des veralteten Tarifsystems zu hoch angesetzt und sollen deshalb gesenkt werden.
Jene der Hausärzte will der Bundesrat leicht anheben. Das würde die Einkommensschere zwischen Hausärzten und Spezialisten verringern, womit der Bundesrat einer schon lange und von vielen Seiten gestellten Forderung nachkommen könnte.
Von der Politik erhält Bundesrat Berset für seine Pläne so viel Zustimmung, wie er sie sich in anderen Bereichen nur erträumen kann. Parteien von links bis rechts bezeichnen den Tarifeingriff als unumgänglich und unterstützen diesen.
Die Krankenkassenverbände heissen die Vorlage gut. Die Kantone pflichten bei. Aber auch Organisationen wie der Dachverband Schweizerischer Patientenstellen und die Stiftung für Konsumentenschutz stellen sich hinter den Bundesrat.
Sie alle halten den Tarmed-Eingriff für nötig, auch wenn sie im Detail auf wichtige Punkte aufmerksam machen: etwa darauf, dass im Bereich der Psychiatrie oder bei Kinderkliniken Tarifsenkungen nicht gerechtfertigt seien und vermieden werden müssten. Das Bundesamt für Gesundheit hat angekündigt, man werde berechtigte Einwände korrigieren.
So bleiben die Ärzte und Spitäler mit ihrem lauten Protest gegen den Tarifeingriff weitgehend allein. Dass sie diesen nicht einfach hinnehmen wollen, ist verständlich. Im Gegensatz zu den Befürwortern der Vorlage sind sie schliesslich direkt von den Tarifsenkungen betroffen. Nur: Die Ärzte haben das Heft selbst aus der Hand gegeben.
Der Tarmed ist schon lange veraltet – das ist unbestritten. Doch die Ärzte haben es verpasst, zusammen mit den Krankenkassen in eigener Regie eine Lösung zu finden. Dank dieser Blockade können sie weiterhin mit veralteten Tarifen abrechnen. Nur deshalb hat sich der Bundesrat eingeschaltet.
Die Ärzte beteuern nun, sie würden innert kürzester Zeit einen sachgerechten Tarif erarbeiten. Die Spezialärzte betonen gar, bei ihrem Lösungsansatz sei in einigen Bereichen mehr Sparpotenzial vorhanden als bei der Bundesratslösung. Dies zu glauben, fällt nach all dem bisherigen Widerstand aus der Ärzteschaft schwer.
Es ist aber zu einfach, das Kostenproblem den Ärzten zuzuschieben. Um dieses anzugehen, müssten wir auch unsere Anspruchshaltung der Medizin gegenüber hinterfragen.
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