Die Ärmsten überholen die Armen
Berns Finanzausgleich krankt an einem Systemfehler: Arme Gemeinden haben plötzlich mehr Geld als reichere Gemeinden.
So unglaublich es tönt: Heute führt der innerbernische Finanz- und Lastenausgleich (Filag) dazu, dass die ärmsten Gemeinden nach dem Ausgleich mehr Geld zur Verfügung haben als die etwas weniger armen Gemeinden. Ein technischer Fehler im System bewirkt, dass der Finanzausgleich die Rangfolge der Gemeinden verändert: Es gibt Gemeinden, die vor dem Ausgleich finanzschwächer sind als andere, danach aber plötzlich mehr Geld haben. Von dieser unplanmässigen Besserstellung profitieren die rund 150 ärmsten Gemeinden. Sie überholen Gemeinden, die an sich finanzkräftiger sind, die also die «besseren» Steuerzahler haben.
Wie Saxeten überholt
Der Fehler fiel bei den Arbeiten für die bevorstehende Filag-Revision auf. Das vom Kanton beauftragte Büro Ecoplan zeigte ein konkretes Beispiel mit den Gemeinden Müntschemier und Saxeten auf. Obwohl die Seeländer von Haus aus eine mehr als doppelt so grosse Finanzkraft haben, stehen sie nach dem Vollzug des Finanzausgleichs schlechter da als die Oberländer. Müntschemier stehen laut dieser Rechnung insgesamt – aus Steuereinnahmen, Filag und so weiter – Mittel von 1728 Franken pro Kopf zur Verfügung. Für Saxeten dagegen sind es 1997 Franken (Stand 2005). Das «arme» Saxeten hat also das «reichere» Müntschemier überholt.
Das Problem ist beim sogenannten «Harmonisierungsfaktor» zu suchen. Dieser müsste regelmässig dem Mittel der Steueranlagen aller Gemeinden angepasst werden, damit er zu korrekten Ergebnissen führt. Der Grosse Rat legte aber mehr Wert auf die Berechenbarkeit der Ausgleichszahlungen und bestimmte, dass der Wert von 2001 auch für die kommenden Jahre gelten soll. Damals lag das «gewogene Mittel» der Steueranlagen bei 2,4. Heute beträgt dieser Wert ungefähr 1,6. Dies führt zu einer «Überdehnung» des Finanzausgleichs, hält Ecoplan fest: Die Steuerkraft sehr armer Gemeinden wird im Vergleich «zu tief» eingestuft. In der Folge überholen sie dank überhöhten Ausgleichszahlungen andere Gemeinden, die von Haus aus bessergestellt sind. Dieser Fehler soll nun korrigiert werden. Die Folge wird sein, dass die heute – ungewollt – begünstigten Gemeinden fortan schlechter gestellt werden. Sie werden voraussichtlich weniger «Mindestausstattung» vom Kanton erhalten.
Noch dies: Dass die Steueranlagen der Gemeinden im Mittel seit 2001 so stark sanken, hat mit der Filag-Einführung im Folgejahr zu tun. Damals wurden 7,6 Steuerzehntel von den Gemeinden zum Kanton verschoben, weil der Kanton zusätzliche Aufgaben übernahm. Der Kanton erhöhte in der Folge die Steuern, die Gemeinden senkten sie.
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