Dialog unterschiedlicher Bälle
Die U-16-Junioren des FC Thun haben gemeinsam mit Athletinnen der Rhythmischen Gymnastik eine Weihnachtsshow durchgeführt.

Es gibt da diese sonderbare Geschichte, die ein wenig märchenhaft anmutet. Der schwedische Fussballklub Östersund war vor fünf Jahren noch drittklassig; nun überwintert das Team in der Europa League. Der rasante Aufstieg ist nicht einem vermögenden Investor zu verdanken – sondern einem ausgefeilten Kulturprogramm. Seit Theaterproben und Tanzaufführungen zum Programm gehören, hat die Mannschaft Erfolg.
Stipe Matic hatte keine Kenntnis von der Geschichte, als er die Idee hatte, seine Fussballer gemeinsam mit den Mädchen der Rhythmischen Gymnastik eine Weihnachtsaufführung einstudieren zu lassen. Der Ex-Profi trainiert heute die U-16 des FC Thun; seine Tochter Lana betreibt rhythmische Gymnastik im regionalen Leistungszentrum in Biel. «Fussballer sind privilegiert. Ich wollte bei den Jungs das Bewusstsein für eine Sportart wecken, die weniger im Rampenlicht steht.»
Viel Aufwand, wenig Ertrag
Rhythmische Gymnastik ist seit 1984 olympisch; Susanne Müller aus Studen vertrat die Schweiz an den Spielen in Los Angeles. Der Standort Biel ist seither stets einer der wichtigsten gewesen. Auch die Seeländer Stabhochspringerin Nicole Büchler war einst gar Mitglied im Schweizer Nationalkader der Rhythmischen Gymnastik, ehe sie zur Leichtathletik wechselte.
Das regionale Leistungszentrum ist eines von vieren in der Schweiz, das Einzugsgebiet reicht von Thun bis Genf. An den diesjährigen Schweizer Meisterschaften ging der Titel in zwei von vier Teamwettbewerben an die Bielerinnen. Das RLZ beschäftigt vier Trainerinnen, die sich 280 Stellenprozent teilen. Daneben ist von den Eltern viel Einsatz gefordert. Auch von Stipe Matic.
«Die Mädchen lernen sehr früh, sich selbst zu organisieren», hält der 38-Jährige fest. «Rhythmische Gymnastik ist eine Lebensschule.» Im dicht gedrängten Alltag, bestehend aus Schule und Training, müssen die jungen Athletinnen ihre Hausaufgaben oft unterwegs erledigen. 20 bis 24 Stunden beträgt der Aufwand wöchentlich – eine beträchtliche Summe. Die Thuner Fussballer staunen, als sie die Zahl hören.
Beidseitige Verwunderung
Beim ersten Aufeinandertreffen zwischen den Gymnastinnen und den Fussballern sind überraschte Gesichter programmiert, man kennt den Alltag des Gegenübers nur flüchtig. Auch die Mädchen schauen sich verwundert an, als sie erfahren, dass der Trainingsaufwand bei der U-16 des FC Thun «nur» neun Stunden wöchentlich beträgt. «Die Jungs sollen sehen, dass andere keine Aussicht haben, von ihrem Sport leben zu können.»
Danach gilt es die Zeit zum Einstudieren der Choreografie zu nutzen. RLZ-Cheftrainerin Aneliya Stancheva hat sie konzipiert und dafür gesorgt, dass alle ihre Stärken einsetzen können. Trotzdem ist es ein harmonisches Zusammenspiel. Die Mädchen halten die Gymnastikbälle in den Händen, drehen diese im Takt der Musik. Die Jungs dürfen ihre technischen Qualitäten unter Beweis stellen, dribbeln im Slalom um die Mädchen herum – ein Dialog zwischen zwei Ballarten. Anschliessend steht ein Tanzelement an.
Die Scheu abgelegt
Zunächst sind die Protagonistinnen und Protagonisten scheu. Nicht jeder FC-Thun-Spieler scheint Übung im Tanzen zu haben, der eine oder andere wird rot im Gesicht. Im Verlauf des Trainingsnachmittags legt sich die Zurückhaltung aber bald.
Bei der Aufführung am Samstag stimmen die Abläufe einwandfrei. Für einmal stehen nicht nur die Fussballer, sondern auch die Mädchen der Rhythmischen Gymnastik im Rampenlicht.
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