Deutschlands Anteil an der Eurokrise
Inmitten eines kriselnden Europa gilt die deutsche Wirtschaft als Fels in der Brandung. Die Internationale Arbeitsorganisation gibt nun ausgerechnet der Bundesrepublik eine Mitschuld an der Eurokrise.

Der Exporteuropameister Deutschland soll zumindest indirekt mit schuld sein an der Eurokrise. Diese Ansicht vertritt die Internationale Arbeitsorganisation (ILO) kurz vor dem Weltwirtschaftsforum in Davos. Die nur schwache Entwicklung von Löhnen und Gehältern in der Bundesrepublik gehört nach Ansicht der UNO-Experten zu den strukturellen Ursachen der Probleme in der Eurozone.
Weil sich in der Exportnation Deutschland seit der Wiedervereinigung die Kosten der Arbeit im Vergleich zur Konkurrenz in anderen Ländern sogar verringert hätten, sei «das Wachstum in diesen Volkswirtschaften unter Druck geraten», schreibt die ILO im globalen Beschäftigungsbericht 2012, den sie vor dem am Mittwoch beginnenden Weltwirtschaftsforum vorlegte. Während günstigere Arbeitskosten den deutschen Exporteuren Wettbewerbsvorteile verschafften, hätten die davon betroffenen Länder dies nicht durch verstärkte Ausfuhren in die Bundesrepublik wettmachen können, erklärte die UNO-Organisation.
Deutschland dennoch Ausnahme
Krisenländern sei ein Ausweg über «die Exportroute» praktisch versperrt worden, weil in Deutschland die Nachfrage angesichts der schwächeren Einkommensentwicklung hinterherhinkte. Diese Entwicklung habe in anderen Ländern der Eurozone «nachteilige Folgen für die Tragfähigkeit der öffentlichen Finanzen» gehabt.
Statt weiter bei Löhnen und Gehältern zu bremsen, solle die deutsche Wirtschaft stärker die Produktivität fördern, empfiehlt die ILO. Allerdings räumen die Autoren auch ein, Deutschland gehöre in Europa «zu den wenigen Ausnahmen, in denen die Beschäftigung nicht unter dem Stand vor Ausbruch der Krise zurückgeblieben ist».
Historischer Höchststand bei Arbeitslosigkeit
In Europa hat laut ILO die Arbeitslosigkeit inzwischen «mit rund 45 Millionen Betroffenen einen historischen Höchststand erreicht, und der Ausblick ist wegen der Schuldenkrise in den meisten Ländern negativ». Weltweit geht die ILO nach den jeweiligen offiziellen Zahlen von 197 Millionen Arbeitslosen aus – 27 Millionen mehr als 2007, dem Jahr vor dem Ausbruch der Finanzkrise in den USA. Trotz eines hohen Wirtschaftswachstums stagniere die durchschnittliche Arbeitslosenquote bei 6,0 Prozent.
Hinzu kommen aber noch rund 900 Millionen Menschen – grösstenteils in Entwicklungsländern –, die trotz Arbeit unter der Armutsschwelle von zwei Dollar pro Tag leben. «Jeder dritte Arbeitnehmer auf der Welt ist arbeitslos oder lebt trotz Arbeit in Armut – das sind rund 1,1 Milliarden Menschen», sagte ILO- Generalsekretär Juan Somavia.
600 Millionen neue Jobs
Die Schaffung von Jobs müsse für Regierungen und Unternehmen oberste Priorität haben. Die ILO geht davon aus, dass unter Berücksichtigung der Bevölkerungsentwicklung in den nächsten zehn Jahren rund 600 Millionen produktive Arbeitsplätze gebraucht werden, um die Arbeitslosigkeit abzubauen und Neuzugänge auf dem Arbeitsmarkt in Lohn und Brot zu bringen.
Einen wichtigen Beitrag könne dazu «eine strikte Regulierung der Finanzmärkte» leisten. Dadurch würde eine stabilere Unternehmensfinanzierung möglich werden. «Vor allem kleinere und mittlere Unternehmen, in denen erfahrungsgemäss die meisten Arbeitsplätze entstehen, hätten wieder einen besseren Zugang zu Krediten.»
SDA/mrs
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