Wegen Virus-MutationDeutschland könnte den Grenzverkehr zur Schweiz einschränken
Falls sich die Nachbarn nicht auf ein entschlossenes Vorgehen gegen die neuen Virusvarianten einigten, droht Angela Merkel mit neuen Grenzkontrollen. Auch gegenüber der Schweiz.

Am Montag war die Erleichterung im deutsch-schweizerischen Grenzgebiet noch gross gewesen. Dank erfolgreichen Lobbyings bei der baden-württembergischen Regierung seien strenge Testpflichten für Zehntausende deutscher Grenzgänger im letzten Moment abgewendet worden, freuten sich Schweizer Politiker, Spitäler und Unternehmen.
Doch schon zwei Tage danach wird absehbar, dass sich Firmen und Unternehmen, die im Schweizer Grenzgebiet auf deutsche Arbeitskräfte angewiesen sind, möglicherweise zu früh gefreut haben.
Entstanden war die Aufregung, weil Deutschland letzte Woche eine Einreiseverordnung erliess, die neue Risikokategorien einführte. Bereits seit dem 24. Oktober figuriert die Schweiz auf der deutschen Liste der Risikogebiete. Neu will das Berliner Robert-Koch-Institut aber auch «Hochinzidenzgebiete» ausweisen für Länder, die in den letzten 7 Tagen mehr als 200 Neuinfektionen pro 100'000 Einwohner gemeldet haben.
Bis jetzt steht noch kein Land auf dieser Liste. Die Schweiz hätte allerdings bis vor kurzem darauf gehört, Deutschlands Nachbar Tschechien übertrifft den Grenzwert sogar um das Zweieinhalbfache. Für Einreisende aus «Hochinzidenz»-Ländern sollen künftig schärfere Test- und Quarantänepflichten gelten – und weniger Ausnahmen für Pendler.
Neu gibt es sogar noch eine dritte Risikoliste: jene, auf der die Länder verzeichnet sind, in denen besonders ansteckende Virusmutationen grassieren. Auf ihr stehen zurzeit Grossbritannien, Irland, Südafrika und Brasilien. Für Einreisende aus diesen Ländern gelten keine Ausnahmen von der Test- und Quarantänepflicht mehr – auch nicht für Berufspendler.
Wie verbreitet sind die Varianten?
Wie weit die neuen Varianten in Europa verbreitet sind, weiss niemand so genau. In Deutschland und in der Schweiz findet man umso mehr Mutationen, je mehr Proben man sequenziert. Aber während in der Schweiz bereits 400 Fälle bekannt wurden und etwa der tschechische Gesundheitsminister am Dienstag sagte, 10 Prozent der Proben erwiesen sich bereits als Mutanten, glauben Experten, dass die Verbreitung in Deutschland noch unter 1 Prozent liege.
Sollten sich derart grosse Unterschiede bestätigen, könnten sich bald auch Nachbarn wie die Schweiz oder Tschechien auf der deutschen «Varianten»-Liste wiederfinden.
Kanzlerin Angela Merkel will einen solchen Schritt vermeiden, kann ihn aber nicht ausschliessen.
Die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel zeigte sich am Dienstag jedenfalls alarmiert: Deutschland werde beim Kampf gegen die Mutanten keinen Erfolg haben, wenn die Nachbarn nicht in die gleiche Richtung zögen. Falls die Wege zu weit auseinandergingen, müsse man Vorkehrungen für Grenzkontrollen treffen. Sie wolle einen solchen Schritt vermeiden, könne ihn aber nicht ausschliessen.
Merkel sagte, sie habe darüber bereits mit mehreren Regierungschefs gesprochen, etwa aus Österreich, Tschechien oder Luxemburg. Auch die Schweiz, obwohl nicht EU-Mitglied, sei von den Überlegungen betroffen. Zu einem Gespräch zwischen Merkel und Bundespräsident Guy Parmelin ist es allerdings noch nicht gekommen, wie Sprecher in Bern und Berlin auf Anfrage bestätigen. Die Kanzlerin kündigte an, ihre Sorge beim Treffen des EU-Rates am Donnerstag vorzutragen.
Verschärfungen an der Grenze zu Polen und Tschechien
Ohne dass dies in der Schweiz gross aufgefallen wäre, hat Deutschland zuletzt bereits die Kontrollen an seinen östlichen Grenzen deutlich verschärft. In Bayern und Sachsen müssen sich seit letzter Woche Zehntausende Grenzgänger und Pendler aus Tschechien und Polen einmal in der Woche testen lassen. An vielen Grenzübergängen gibt es Testzentren, in denen die Pflicht schnell erledigt werden kann.
Nicht nur in der Schweiz, auch in Luxemburg fürchtet man sich vor neuen Einschränkungen an der Grenze: 200’000 Menschen aus Deutschland, Frankreich und Belgien gehen jeden Tag ins Herzogtum arbeiten. In der Schweiz wiederum hat die Tessiner Regierung am Montag den Bundesrat gebeten, an der Grenze zu Italien erneut systematische Kontrollen vorzunehmen – aus Sorge vor der Einschleppung gefährlicher Virusmutanten.
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