Deutschland erlaubt Gentests bei Embryos
Die umstrittene Präimplantationsdiagnostik (PID) wird künftig in Deutschland in engen Grenzen legal. Nach einer mehrstündigen Debatte hat sich heute der Bundestag dafür ausgesprochen.

Ein Gesetzentwurf für ein striktes Verbot von Gentests an künstlich erzeugten Embryonen fand heute im deutschen Parlament keine Mehrheit. Erlaubt ist die PID dann, wenn Paare eine Veranlagung für eine schwerwiegende Erbkrankheit in sich tragen oder bei ihnen mit einer Tot- oder Fehlgeburt zu rechnen ist. Um Missbräuche zu vermeiden, wird für die Eltern eine Beratung vorgeschrieben.
Ausserdem muss eine Ethik-Kommission ein positives Votum abgeben. Darüber hinaus soll die PID nur an wenigen lizenzierten Zentren vorgenommen werden können. Der entsprechende Gesetzentwurf erhielt am Donnerstag in der Schlussabstimmung 326 von 594 abgegebenen Stimmen.
Verbot fand keine Mehrheit
Ein weiterer Entwurf einer fraktionsübergreifenden Gruppe, der ein Verbot von Gentests an künstlich erzeugten Embryonen vorsah, konnte sich hingegen nicht durchsetzen. Für diesen Antrag stimmten 228 Abgeordnete.
Ein dritter Gesetzentwurf, wonach die PID nur in wenigen Ausnahmefällen erlaubt werden sollte, wenn die erbliche Vorbelastung der Eltern mit hoher Wahrscheinlichkeit zu einer Tot- oder Fehlgeburt führt, erhielt nur 58 Stimmen.
Lange Debatte beendet
Mit der Entscheidung setzte das Parlament einen Schlussstrich unter die monatelange öffentliche Debatte zu dem ethisch brisanten Thema. Bei der PID werden im Reagenzglas erzeugte Embryonen vor der Einpflanzung in den Mutterleib auf Gendefekte untersucht, um gegebenenfalls aussortiert zu werden.
Der Fraktionszwang war bei der Abstimmung aufgehoben worden, die Abgeordneten entschieden allein nach ihrem Gewissen. Zuvor hatten Befürworter und Gegner der PID in einer mehrstündigen Debatte nochmals für ihre Positionen zu den Embryonentests geworben Die Neuregelung zur PID wurde nötig, weil es bisher keine klare gesetzliche Vorgabe gibt und das oberste deutsche Gericht im vergangenen Jahr die Auswahl künstlich befruchteter Eizellen bei Paaren mit einer Veranlagung zu schweren Genschäden erlaubt hatte.
In der Schweiz soll Verbot fallen
Auch in der Schweiz wird die Präimplantationsdiagnostik (PID) seit Jahren diskutiert. Der Bundesrat nahm Ende Juni einen neuen Anlauf, das strikte Verbot aufzuheben. Seine Vorschläge sind bis Ende September in der Vernehmlassung.
Unter PID versteht man genetische Untersuchungen an einem im Reagenzglas (In Vitro) erzeugten Embryo vor dem Einsetzen in die Gebärmutter, um bestimmte Erbkrankheiten zu erkennen. PID ist in der Schweiz seit 2001 durch das Fortpflanzungsmedizingesetz verboten.
Ende 2005 beauftragte das Parlament den Bundesrat mit der Überarbeitung des Gesetzes und der Lockerung des PID-Verbots. Die Befürworter sehen in der PID ein Mittel zur Prävention. Gegner, darunter die katholischen Bischöfe, warnen dagegen vor einem «Einfallstor für Eugenik» und vor «Kindern nach Mass».
Der Bundesrat hatte bereits 2009 eine Neuregelung für den Umgang mit PID in die Vernehmlassung gegeben, war dann aber nach einer ersten Vernehmlassung im Mai 2010 zurückgekrebst.
Mit Auflagen möglich
Laut dem jüngsten Vorschlag des Bundesrates soll PID unter strengen Auflagen möglich sein: Nämlich wenn wegen einer genetischen Veranlagung der Eltern die Gefahr besteht, dass das Kind an einer schweren Erbkrankheit leiden könnte. Weitere Anwendungen der PID sollen verboten bleiben.
Zulassen will der Bundesrat hingegen, dass Eltern, die auf In- vitro-Fertilisation und PID zurückgreifen, pro Behandlungszyklus neu acht Embryonen entwickeln lassen dürfen. Derzeit ist die Zahl auf drei beschränkt (Dreier-Regel).
Damit die vom Bundesrat vorgeschlagenen Änderungen im Gesetz über Fortpflanzungsmedizin vollzogen werden können, muss auch der Artikel 119 der Bundesverfassung (Fortpflanzungsmedizin und Gentechnologie im Humanbereich) geändert werden. Zur Verfassungsänderung wird sich das Volk äussern können.
SDA/bru
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