Der Weg ist weit zur Seligkeit
Das unendliche Warten der Selig-Fans hat ein Ende: Die 90er-Jahre-Rocker melden sich mit «Und endlich unendlich» nach zwölf Jahren zurück. Mit ziemlich banaler Rockmusik – und willkommenen Ausbrüchen.

Auf dem Weg zur Ruhe: Es könnte das Motto sein für eine Handvoll alternder Rockmusikkämpen, die sich langsam, aber sicher aufs Altenteil zurückziehen. Doch nix da. Mit «Auf dem Weg zur Ruhe» melden sich Selig zurück. Nehmen einen neuen Anlauf, springen nochmals lustvoll ins Haifischbecken Musikbusiness. Und haben keinen Bock, Süssholz zu raspeln. Mit gepresster Stimme beschwört Frontmann und Texter Jan Plewka ein apokalyptisches Szenario: «Kein Regen fällt, wie seit Jahren schon, hier am Ende vom Ende.» Nach knapp zwei Minuten steht der zuerst akustische, bluesige Song unter Starkstrom. Selig sind zurück. Die Band aus Hamburg, die in den Neunzigern die teutonische Rockmusik mitprägte, die Grunge und 70er-Jahre-Rock mit deutschen Texten mixte – und 1997 das Handtuch warf.Es fühle sich an, als würden sie zum zweiten Mal heiraten, kommentiert das Quintett den Neuanfang. Mehr noch: «Plötzlich war einfach so unser spezieller Sound wieder da. Und ich hab überhaupt erst kapiert, warum die Leute damals so ausgeflippt sind», sagt Plewka. Eine Euphorie, die sich auch in der Singleauskoppelung «Schau schau» spiegelt: Da ist von Hochgefühlen auf dem höchsten Berg die Rede. Und vom Blick in den Morgen. Etwa als Zeichen dafür, dass es hier nicht wie bei vielen anderen Comebacks darum geht, die alten Zeiten aufleben zu lassen? Plötzlich WolfsgeheulSchade bloss, bleibt die rockmusikalische Verpackung oft gerade mal solide, ja manchmal ziemlich banal. «Wir werden uns wiedersehen» ist ein stinknormaler Deutschrocksong, Mitsingrefrain und Stromgitarrenfinale inklusive. Nicht viel anders «Die alte Zeit zurück», ein Lied, das immerhin plastisch das Bild eines Yuppies zeichnet, der in seinen «geometrischen Gärten» lebt und sich die Vergangenheit «zurücktrinkt», die Erinnerung an alte Zeiten – «damals, als wir unsterblich waren». Der Weg ist halt weit bis zur Seligkeit.Spannend wirds, wenn die neuen alten Selig aus dem Trott ausbrechen. Plötzlich jault die Gitarre auf wie ein getretener Hund. Plötzlich erklingt ein schwerer, dreckiger Zeitlupenbeat. Plötzlich ist ein heiseres Kratzen in Jan Plewkas Stimme. «Ich dachte schon» heisst der hypnotische Song, der sich am Ende mit Wolfsgeheul und Gitarrencrescendo in ein psychedelisches Finale steigert. Plewkas lakonischer Kommentar: «Es kann ja nicht schaden, wenn die Kids von heute mal wieder hören, wie ein Gitarrensolo überhaupt klingt.» Gut geheult, Wolf! Gegenstück zu «Ohne dich»Ganz am anderen Ende des Spektrums ist «Ich fall in deine Arme» angesiedelt: ein ergreifendes Liebeslied, eine positive Ballade, die als Gegenstück zur Verzweiflung im alten Selig-Hit «Ohne dich» prächtig funktioniert. Mit diesen mal lauten, mal leisen Ausbrüchen machen Selig klar: Das ist nicht der Weg zur Ruhe, den sie gehen, sondern der Weg zur Unruhe. Auch zwölf Jahre später.
CD: Selig «Und endlich unendlich», Vertigo/Universal. Live: 26.März, Rohstofflager Zürich.
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