Der unglaubliche Netflix-Hype in Zahlen
Der Streaminggigant hat gerade 23 Emmy-Auszeichnungen geholt – und damit seinen Höhenflug fortgesetzt.

Die Emmy Awards sind der bedeutendste Fernsehpreis der USA und auch der Welt. Pünktlich zum 70. Geburtstag erlebten sie dieses Jahr eine Wachablösung. Zum ersten Mal in der Geschichte der Verleihung schaffte es ein Streamingdienst, die Dominanz der regulären Fernsehsender zu durchbrechen: Netflix gewann 23 Emmys und war zusammen mit HBO, der gleich viele Auszeichnungen holte, der Gewinner des Abends. Traditionskanal NBC kam auf lediglich 16 Emmys.
Der Kampf zwischen Streamingdiensten und Fernsehsendern war mit grosser Spannung erwartet worden, weil er sich seit Jahren zuspitzt. Als Netflix 2013 zum ersten Mal für die Awards nominiert wurde und 3 Emmys für «House of Cards» gewann, glich das einer Überraschung. Heuer war Netflix 112-mal für seine selbst produzierten Filme und Serien nominiert – und verdrängte damit den Pay-TV-Sender HBO nach 17 Jahren von der Spitze.
Die Emmy-Auszeichnungen sind nur der jüngste Erfolg eines unglaublichen Höhenflugs, der seit Jahren anhält. 2007 stieg Netflix ins Video-on-Demand-Geschäft ein und machte die Inhalte per Streaming für Abonnenten zugänglich. Es war der Wendepunkt in der Geschichte des Unternehmens. Seither wuchs der Streamingpionier fast unaufhörlich.
Vor 11 Jahren hatte Netflix noch 6,3 Millionen Abonnenten, aktuell sind es gut 130 Millionen – 20-mal mehr. Anfangs war der Streamingdienst mit Sitz im kalifornischen Los Gatos auch nur in seinem Heimmarkt verbreitet, heute nutzen ihn Kunden in fast allen Ländern der Welt. Mehr als die Hälfte der Abonnenten lebt nicht in den USA.
Entsprechend dem Hype bei den Nutzern entwickelte sich Netflix auch wirtschaftlich prächtig. 2007 machte das Unternehmen 1,2 Milliarden US-Dollar Umsatz, 2012 war es schon 3-mal mehr und 2017 mit 11,7 Milliarden fast 10-mal so viel. Auch im aktuellen Jahr zeigt die Kurve von Netflix steil nach oben.
Lange standen den Einnahmen des Unternehmens aber zu hohe Ausgaben gegenüber. Es fuhr keinen oder nur wenig Profit ein. Das änderte sich spätestens im Jahr 2013, als Netflix mit der Eigenproduktion von Fernsehformaten wie der preisgekrönten Serie «House of Cards» startete. Seither verbuchte der Streamingdienst jedes Jahr Gewinn. Innerhalb der vergangenen zwölf Monate konnte er um fast 500 Prozent gesteigert werden.
Entscheidend war zudem der Börsengang vom 29. Mai 2002. Bis zu diesem Zeitpunkt hatte das Unternehmen jedes Jahr Verluste eingefahren. Der Verkauf von 5,5 Millionen Aktien à 15 Dollar an verschiedene Investoren brachte die Wende. Im darauffolgenden Jahr erzielte Netflix erstmals in seiner Geschichte Gewinn.
Der Siegeszug, den die Aktie seither hingelegt hat, sucht seinesgleichen. Im Oktober 2013, dem Jahr, als der Streamingdienst mit seinen Eigenproduktionen begann, kostete sie noch 40 Dollar. Beim gestrigen Börsenschluss lag der Kurs bei fast 367 Dollar.

Netflix zählte zu den Überfliegern an der Börse. Anfang Juli war die Aktie sogar einmal auf 423 Dollar gestiegen. Doch dann kam das, was einige Experten schon länger für unausweichlich hielten: eine Korrektur nach unten. Nachdem das Unternehmen im zweiten Quartal 2018 weniger neue Abonnenten hinzugewonnen und auch weniger Umsatz gemacht hatte, als es selbst und die Marktbeobachter erwartet hatten, fiel der Kurs zeitweise um mehr als 14 Prozent.
Von einer Trendwende gehen Experten allerdings nicht aus – im Gegenteil. Der Aktienkurs hat sich inzwischen erholt. Punkto Börsenwert belegt Netflix den 8. Rang der grössten Internetunternehmen weltweit. Beobachter schätzen zudem, dass das Unternehmen bis ins Jahr 2020 etwa 70 Millionen Neukunden dazugewinnen wird. Allein in der Schweiz soll es dann 1,3 Millionen Netflix-Abonnenten geben. Aktuelle Zahlen sind nicht verfügbar, weil der Streamingdienst keine nationalen Daten herausgibt.
«Netflix wird bis 2025 tief in den Massenkonsumentenmarkt eindringen.»
Der US-Aktienanalyst Michael Graham sieht für Netflix vor allem noch viel Potenzial im Ausland. «Das Unternehmen ist in vielen verschiedenen Ländern in den Markt eingedrungen und befindet sich dort teilweise noch im Anfangsstadium», sagte er dem Sender CNBC. Es werde seine Kundenbasis deshalb noch stark ausbauen können.
Sein Kollege, der renommierte US-Analyst Rob Sanderson, geht sogar davon aus, dass Netflix bis 2025 die Abonnentenzahl in den USA auf 90 Millionen und ausserhalb der USA auf 300 Millionen steigern wird. Das gab er kürzlich in einer Notiz an die Anleger bekannt, die für Furore sorgte. «Netflix kann seine Ausgaben für Inhalte bis 2025 verdreifachen und bis dahin auf globaler Ebene tief in den Massenkonsumentenmarkt eindringen», schrieb Sanderson. Er sei «enthusiastisch» bezüglich des Streaminganbieters.
Konkurrenz rüstet auf
An der Wallstreet teilen nicht alle Sandersons Zuversicht. Vielerorts geht die Sorge um, dass Netflix seine Abonnentenzahl bald nicht mehr in grösserer Geschwindigkeit steigern kann und das Wachstum des Streaminganbieters stagniert. Ausserdem wächst die Konkurrenz: Hollywoods Filmindustrie und die klassischen Kabelanbieter fühlen sich bedroht und rüsten derzeit mit Zukäufen für die Ära des Onlinefernsehens auf. Auch die Nachzügler auf dem Streamingmarkt wie Amazon und Apple produzieren längst eigene Formate.
Netflix, das sich zu einem Schwergewicht der Unterhaltungswelt entwickelt hat, rechnet mit verschärftem Wettbewerb, betonte aber gegenüber Aktionären, dass der Markt «genug Platz für mehrere Parteien» biete. Der Streamingmarktführer versucht, die Konkurrenz mit immensen Investitionen auf Abstand zu halten.
Allein im laufenden Jahr gibt Netflix 8 Milliarden US-Dollar für Fernsehserien und Filme aus. Das Ziel sind tausend Eigenproduktionen. Zudem investiert Netflix 2018 rund 1,3 Milliarden Dollar in Technologien, um den Aufwärtstrend fortzusetzen, wie Gründer und CEO Reed Hastings kürzlich in einem Interview bekannt gab.
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