Der superidealistische Weltverbesserer
WEF-Gründer Klaus Schwab will den Zustand der Welt verbessern. Dazu lädt er auch in diesem Jahr 3000 Teilnehmer ans Weltwirtschaftsforum nach Davos ein. Trotz viel Kritik hat das Forum nichts von seiner Anziehungskraft verloren.
Der Stolz wird Klaus Schwab heute anzusehen sein. Der Gründer und Präsident des Weltwirtschaftsforums (WEF) wird kurz nach elf Uhr den chinesischen Staatspräsidenten Xi Jinping auf der Bühne in Davos begrüssen. Xi ist der erste Staatschef von China, der nach Davos reist. Es ist ein weiterer Höhepunkt in der Geschichte des WEF.
Der Wirtschaftsjournalist Jürgen Dunsch ist in einem Buch der Frage nachgegangen, wie Schwab es geschafft hat, das WEF von einer kleinen, akademischen Veranstaltung zur wichtigsten Plattform für eine Diskussion der zentralen Fragen aus den Bereichen Politik, Wirtschaft und Wissenschaft zu machen.
Schwierige Annäherung
Der ehemalige Schweiz-Korrespondent der «Frankfurter Allgemeinen Zeitung» hat versucht, die Person von Klaus Schwab näher zu ergründen. Doch er warnt vor zu hohen Erwartungen: «Der WEF-Gründer macht einem eine Annäherung an seine Person nicht unbedingt leicht.» Sein Inneres schirme er ab.
Der 78-jährige Schwab ist kein extrovertierter Charmeur, der seine Gäste umgarnt. Er formulierte es in einem Interview wie folgt: «Ich bin kein Marketingmann in eigener Sache, sondern – wenn Sie so wollen – eine asoziale Figur.» Dunsch hält dazu fest: «Schwab ist kein Kumpeltyp. Er lacht eher selten.»
Anzufügen ist, dass ihm selbst ein Lächeln nur selten über seine Lippen huscht. Begrüsst er auf der Bühne seine Gäste, wirkt er steif. Die Gespräche, die er mit den Gästen führt, sind eher trocken. Rhetorische Stilmittel wie Anspielungen, Ironie oder Selbstironie setzt er nie ein.
Wissensdurstiger Professor
«Der Professor in ihm bricht sich immer wieder Bahn», schreibt Dunsch. Sein Ziel ist der Erkenntnisgewinn. Bei jeder Begegnung. «Ich verbringe nicht gerne Zeit mit Menschen, die mich geistig nicht weiterbringen», sagt Schwab im Gespräch mit Dunsch. Um keine Zeit zu verlieren, führt Schwab am liebsten Gespräche mit den ranghöchsten Vertretern aus Politik, Wirtschaft, Wissenschaft und Kultur. Das heisst mit der Elite. Das schmeichelt seiner Eitelkeit. Trotzdem ist es ihm wichtig, gelegentlich zu betonen, dass ihm ein Klassendenken fern liege.
Hilde – die einzige Vertraute
Seine Frau Hilde ist in Davos oft an seiner Seite zu sehen. «Viele meinen, sie sei seine einzige Vertraute», schreibt Dunsch. Sie war seine erste Mitarbeiterin bei der ersten Durchführung des Forums im Jahr 1971. Noch im selben Jahr heiratete des Paar im Sertigtal bei Davos. Ihren grossen Auftritt hat Hilde Schwab jeweils am Vorabend der WEF-Eröffnung, wenn sie die Crystal Awards an Künstler mit einem wohltätigen Engagement verleihen darf. So wie gestern Abend an die Sängerin Shakira und die Geigerin Anne-Sophie Mutter.
Die Kinder sind eingebunden
Das Paar hat zwei erwachsene Kinder. Olivier ist Ingenieur, und seit dem Jahr 2010 arbeitet er für das WEF. Seit zwei Jahren ist er verantwortlich für die Beziehungen zu den Unternehmen und gehört dem erweiterten Führungskreis des Forums an. Tochter Nicole Schwab ist weniger eng mit dem WEF verbunden. Sie ist Biologin und Politikwissenschaftlerin. Von 2005 bis 2009 arbeitete sie für das Forum. Seither verfolgt sie eigene Projekte. Sie kommt aber immer wieder gerne nach Davos – wie in diesem Jahr.
Prägende Kindheit
Klaus Schwab wuchs als Sohn eines Fabrikdirektors in Süddeutschland auf. Seine Mutter war Schweizerin, und auch sein Vater Eugen – geboren als Bürger des damaligen Grossherzogtums Baden – hatte Schweizer Wurzeln, da dessen Mutter Schweizerin war. Eugen Schwab war Direktor der Fabrik des Schweizer Unternehmens Escher Wyss in Ravensburg, als Klaus Schwab 1938 geboren wurde. Die Familie war privilegiert. Klaus Schwab bekam aus Erzählungen seiner Eltern früh mit, wie wichtig politische Entscheide sind: Hier das von der Naziherrschaft und dem Zweiten Weltkrieg zerstörte Deutschland, jenseits der Grenze die verschonte Schweiz.
Der theoretische Unterbau
Schwab studierte an der ETH Zürich Maschinenbau und danach in Freiburg in der Schweiz Ökonomie. Beide Studien schloss er mit dem Doktortitel ab. Nach ersten Berufserfahrungen bei Escher Wyss und beim deutschen Verband der Maschinenbauer wurde er Professor in Genf. Seither wohnt er in dieser Region.
«Ich verbringe nicht gerne Zeit mit Menschen, die mich geistig nicht weiterbringen.»
1971 organisiert er als 32-Jähriger die erste Konferenz in Davos. Die Veranstaltung trägt den Titel European Management Symposium und zählt 400 Teilnehmer. Im Zentrum steht die Frage, wie die europäischen Firmen den Rückstand gegenüber der US-Industrie aufholen können. Schwab erkennt nach der Durchführung des Anlasses das Potenzial einer solchen Veranstaltung und gründet eine Stiftung.
Auch von einem Absacken der Teilnehmerzahl bei der zweiten Austragung lässt er sich nicht beirren. Der ehrgeizige Professor glaubt an seine Vision. Und diese hat einen theoretischen Unterbau: Schwab ist einer der ersten Verfechter der sogenannten Stakeholder-Theorie. Diese besagt, dass ein Unternehmen nur erfolgreich sein kann, wenn es einen ständigen Austausch mit seinen Interessengruppen pflegt. Dazu gehören Kunden, die Arbeitnehmer, die Anwohner der Fabriken und die Politik. Diese Theorie bestärkt Schwab, immer mehr auch Politiker ans Forum einzuladen. Rein betriebswirtschaftliche Fragen geraten in der Folge in den Hintergrund.
Die Chinesen kommen
Das Forum gewinnt mit den Jahren immer mehr an Bedeutung. Und Schwab baut es zu einem weltumspannenden Anlass aus. Er erkennt früh, wenn ein Land sich in die internationale Wirtschaftsgemeinschaft einklinken will. So reist im Jahr 1979 erstmals eine Delegation aus China nach Davos. Die chinesische Regierung bleibt danach eng mit dem WEF verbunden, wie der Auftritt des Staatschefs Xi Jinping von heute beweist. Der Preis, den Schwab dafür zahlt, ist jedoch die Tatsache, dass er einem undemokratischen Regime eine Plattform bietet. Doch er will alle Länder einbinden, ausser sie unterliegen Sanktionen der UNO.
Schwab unterstreicht die globale Ausrichtung schliesslich, indem er das Forum 1987 in World Economic Forum umbenennt. Das Forum untermauert heute seine globale Ausrichtung, indem es neben dem Jahrestreffen in Davos fünf weitere Konferenzen in drei Kontinenten organisiert. 500 Mitarbeiter halten die WEF-Maschine am Laufen.
Die politischen Höhepunkte
Schwab findet Gefallen an der thematisch allumfassenden Ausrichtung des WEF. So ergaben sich einige Höhepunkte. Dazu gehört der Auftritt des südafrikanischen Schwarzenführers Nelson Mandela mit dem damaligen Präsidenten Willem de Klerk im Jahr 1992. Nicht immer laufen die Auftritte nach Drehbuch ab: So nutzt der Palästinenserführer Yassir Arafat im Jahr 2001 die Bühne in Davos für eine Brandrede gegen Israel. Es ist Schwabs bislang «grösste Enttäuschung».
«Ich habe in meinem Safe einen Brief mit Ratschlägen an den Stiftungsrat, falls mir etwas zustösst.»
Auch heute sind die Auftritte von Politikern die Höhepunkte am WEF. Viele Staatschefs nutzen die Plattform, um ihr Land als idealen Standort für Investitionen darzustellen. Doch seine Lieblingsrolle, nämlich diejenige als Förderer des Dialogs zwischen verfeindeten Staaten, konnte Schwab in den letzten Jahren nicht mehr oft spielen.
Die Rückschläge
In den letzten Jahren erlebte Schwab diverse Enttäuschungen. So fühlt er sich völlig unverstanden, als sein Treffen nach der Jahrtausendwende zum Feindbild der Anti-Globalisierungsbewegung wird. Schwab reagiert darauf: Er lanciert mit dem Open Forum eine Parallelveranstaltung zum WEF mit Diskussionsrunden, die öffentlich sind. Und er öffnet das Forum mit Internetübertragungen der wichtigsten Podien. Die Protestbewegung flaut in der Folge ab.
Er muss aber auch zur Kenntnis nehmen, dass die Geschichte nicht linear zu mehr Demokratie, mehr Menschenrechten, mehr Freihandel, mehr Wohlstand und mehr internationaler Kooperation führt. So stellt die Finanzkrise das Wachstumsmodell des Kapitalismus infrage.
Schwer enttäuscht ist Schwab auch, als sich der russische Präsident Wladimir Putin immer stärker zu einem autoritären Staatschef entwickelt. Öffentlich kritisieren würde er dies aber nie. Da ist er zu sehr Diplomat.
Dann kommt im Juni 2016 der Brexit: «Als Europäer der ersten Stunde war dieser Entscheid für mich ein Schock», sagt er Dunsch. Auch nicht in seinem Sinne ist die Wahl von Donald Trump zum US-Präsidenten. Es ist bekannt, dass Schwab den Clintons nahesteht. Kommt hinzu, das Trump seinen Wahlkampf auch als Kampf gegen die Elite und den «Davos Man» führte.
Die Anziehungskraft bleibt
Trotz dieser Dellen: Die Anziehungskraft von Davos bleibt ungebrochen. Die 1000 Mitgliedsfirmen zahlen einen Jahresbeitrag von 60 000 Franken. Hinzu kommt die Teilnahmegebühr für das Treffen in Davos von 27 000 Franken. «Es gibt offenbar ein Bedürfnis nach direkten und informellen Kontakten auf höchster Ebene», so Dunsch.
Die Frage, ob das Forum nicht nur den Teilnehmern, sondern auch der Welt einen Nutzen gebracht hat, wird wohl immer umstritten bleiben. Schwab verweist auf Denkanstösse und konkrete Projekte, die von Davos ausgegangen seien. «Die Idee der G-20 kam aus Davos heraus», betont er.
Die Nachfolgefrage
Klaus Schwab ist heute Präsident des Stiftungsrates und Chef der Geschäftsleitung des WEF. Für ihn steht fest, dass er eines Tages für jeden Posten je einen Nachfolger haben wird. Von einem Rücktritt will er jedoch nichts wissen. «Aber ich habe in meinem Safe einen Brief mit genauen Ratschlägen an den Stiftungsrat, falls mir etwas zustossen wird», sagt Schwab zu Dunsch. Vizepräsident des Stiftungsrats ist Ex-Nestlé-Präsident Peter Brabeck. Er ist ein valabler Kandidat fürs Präsidium. Die Führung der Geschäftsleitung könnte Philipp Rösler übernehmen. Der Ex-Chef der deutschen FDP gehört dem Gremium seit 2014 an. Möglicherweise werden auch seine Kinder eine Rolle in den Führungsgremien erhalten.
Vertraute sagen, dass er davon träume, eines Tages den Friedensnobelpreis zu erhalten. Und wie soll sein Vermächtnis aussehen? «Eine Einrichtung, die in einhundert oder zweihundert Jahren noch besteht. Ein Rotes Kreuz für internationale Zusammenarbeit – das wäre ein Erbe, das ich gerne hinterlassen würde», sagt Schwab
Jürgen Dunsch:«Gastgeber der Mächtigen», 316 S., FBV-Verlag.
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