Nachfolger von Toni SöderholmDer SC Bern lässt sich bei der Trainersuche Zeit
Der neue Headcoach dürfte erst im Juni bekannt werden. Dafür könnte Sportchef Andrew Ebbett plötzlich gleich vier neue Imports suchen müssen – darunter wird so oder so ein Goalie sein.

Keine Frage, der SC Bern ist und bleibt eine interessante Destination für ausländische Eishockeytrainer. Das hat nicht zuletzt auch damit zu tun, dass der Club in der Schweiz beheimatet ist. Biels früherer Assistenzcoach Oliver David umschrieb es in seinem Abschiedsbrief an den EHC und Trainer Antti Törmänen in dieser Zeitung so: «Es ist für Spieler und Coachs das wohl beste Hockeyland zum Arbeiten. Die Bezahlung ist top, der Lifestyle noch besser.»
Als 16-facher Schweizer Meister mit dem seit Jahren grössten Publikum Europas strahlt der SCB eine zusätzliche Magie auf potenzielle Headcoachs aus. Dennoch zieht sich in Bern die Suche nach dem Nachfolger von Toni Söderholm hin. Es ist kein Geheimnis, dass sich Kandidaten trotz Interesse ein Engagement sehr gut überlegen.
Die Eishockeywelt ist vergleichsweise klein, es spricht sich herum, dass der noch zu bestimmende neue Cheftrainer die Nummer 7 seit 2020 sein wird. Mit der Ausnahme Kari Jalonens, der ab 2016 dreieinhalb Saisons bleiben durfte, wurden in den letzten Jahren Berns Trainer immer wieder entlassen – selbst kurz nach Erfolgen oder wenn die Mannschaft auf ordentlichen Tabellenrängen lag. Kein Wunder, überlegen sich Kandidaten zweimal, ob sie Teil dieser nicht enden wollenden Trainerrochade werden wollen. Womöglich droht ja schon nach ein paar Monaten die Entlassung, weil man drei, vier Niederlagen aneinandergereiht hat.
Und ein unbestrittenes Spitzenteam, das in der Qualifikation unwiderstehlich Sieg an Sieg reiht, wird der SCB auch nächste Saison nicht sein, er dürfte realistisch betrachtet mit seinem Kader eines der vielen Teams im Mittelfeld der Liga sein, die um einen Top-6-Platz kämpfen.
Prominente Kandidaten
Auch Andrew Ebbett ist sich dieser Problematik bewusst. «Ich kann diesbezüglich die Vergangenheit des SCB nicht ändern», sagt der Sportchef der Berner. Er verneint aber, dass Trainerkandidaten dies in den Gesprächen mit ihm offen ansprechen würden. Dennoch: Vor Juni ist nicht mit einem Entscheid zu rechnen. Immerhin stehen auf der vorerst langen Liste der herumgereichten Kandidaten auch prominente Namen, darunter Troy Mann (zuletzt Belleville/AHL), Jeremy Colliton (Abbottsford/AHL, er hat vier Jahre Europa-Erfahrung in Schweden), CHL-Sieger Jussi Tapola (Tappara/Liiga, wird durch Rikard Grönborg ersetzt) oder Tommi Niemelä (Lahti/Liiga). Es ist also offen, ob der neue SCB-Cheftrainer Nordamerikaner oder Europäer sein wird.

Ebbetts Wunsch ist, nach all den Trainerwirren endlich Kontinuität in den Club zu bringen. Auch darum will er trotz diesbezüglicher Störgeräusche in und rund um den Club an den Assistenten Christer Olsson (Verteidiger), Mikael Hakanson (Stürmer) und Jeff Hill (Goalie) festhalten – mit allen ist er sich grundsätzlich einig über die weitere Zusammenarbeit. Einzig Videocoach Max Markowitz dürfte den Club verlassen, der Amerikaner sucht eine Herausforderung als Assistenzcoach. Wie es mittlerweile zu hören ist, könnte der SCB aber einen weiteren Assistenten in den Staff aufnehmen, falls der neue Cheftrainer auf einen bestimmten eigenen Weggefährten pochen würde.
Ein ausländischer Goalie wird kommen
Die Arbeit geht Ebbett so oder so nicht aus. Er sucht noch Importspieler für nächste Saison, im Extremfall sogar deren vier. Ein Goalie wird definitiv darunter sein. Vom Plan, auf Philip Wüthrich als Nummer 1 zu setzen, ist der SCB nämlich abgekommen. Der von «Watson» als Hauptkandidat kolportierte Finne Jussi Olkinuora sei ein Kandidat, bestätigt Ebbett, «allerdings einer von vielen».
Wüthrich geriet letzte Saison insbesondere im Playoff in die Kritik nach diversen haltbaren Gegentoren. Allerdings waren seine Werte (2,47 Gegentore pro Spiel, 90,2 Prozent gehaltene Schüsse) da genauso wenig ungenügend wie in der Qualifikation (2,65 und 91,2). Wüthrich, und das wird in vielen «Analysen» gern ausgeblendet, wurde Ende Saison auch Opfer eines Missmanagements des SCB auf der Goalieposition.
Der 25-Jährige wurde in seiner zweiten vollen Saison in 44 der 52 Qualifikationsspiele eingesetzt und damit so häufig wie ligaweit kein anderer. Die letzten 23 Saisonspiele bestritt allesamt Wüthrich, darunter waren vier «Back-to-Backs», also zwei Spiele innert 24 Stunden, die sich bei den meisten Clubs in der Regel zwei Goalies aufteilen.

Es gab letzte Saison ein anderes, prominenteres Opfer von zu vielen Spielen – im Gegensatz zum SCB kam sein Fall wegen gleich zwei verletzter Back-up-Goalies und nicht aus Gründen des Missmanagements zustande: Zugs Leonardo Genoni spielte dabei sein wohl schlechtestes Eishockey der Karriere. Kaum erhielt er wieder Entlastung durch den genesenen Luca Hollenstein, steigerten sich die Leistungen und Statistiken des Schweizer Nationalgoalies markant.
Wenn Wüthrich, so wie es Ebbett wünscht, durch die Konkurrenz eines Import-Goalies gepusht und gefördert werden soll, bedingt dies in erster Linie ein deutlich besseres Spielmanagement auf der Torhüterposition. Verkompliziert wird dieses durch den ursprünglich weiterhin als Back-up eingeplanten Daniel Manzato, der einen Vertrag für 2023/24 hat.
Offene Zukunft von Sceviour und Lindberg
Die Import-Suche Ebbetts endet da noch nicht. Der SCB wird einen neuen Linksschützen für die Verteidigung verpflichten, der ein Allrounder mit Stärken im Penalty-Killing sein soll. Dies, weil Eric Gélinas Bern definitiv verlassen wird – trotz Vertrag bis 2024. Der Kanadier war letzte Saison meist verletzt und kam nur in 15 Spielen zum Einsatz, auch diese bestritt er nie 100-prozentig fit. Zudem wurde er beim SCB einer seiner Stärken beraubt: Im Powerplay ist Gélinas ein beeindruckender Scharfschütze, bloss durfte er in Bern kaum je in Überzahl spielen, da die Blueliner-Positionen durch die Schweizer Ramon Untersander und Romain Loeffel fix besetzt waren.
Nach wie vor offen ist zudem die Zukunft zweier ausländischer Stürmer. Ob Colton Sceviour eine weitere Saison bleibt, entscheidet sich in den nächsten Wochen. Ebbett möchte den Kanadier, der zu den wenigen positiven Überraschungen der letzten Saison gehörte, gern behalten, der 34-Jährige ist sich über seinen künftigen Weg indes noch nicht im Klaren.
Oscar Lindberg hat zwar einen Vertrag bis 2024, aber sein Jugendclub Skelleftea möchte den verlorenen Sohn gern wieder haben, auch weil der Schwede aus familiären Gründen sich grundsätzlich eine Rückkehr in die Heimat überlegt. Diesbezüglich ist der SCB da kein Einzelfall: Ambris Tschechen Michael Spacek und Filip Chlapik möchten offenbar ebenfalls trotz laufender Verträge zurück in die Heimat. Was Lindberg angeht: Er spielt derzeit mit Schweden an der WM in Finnland, ein definitiver Entscheid fällt darum erst nach dem Turnier.
Sollten nächste Saison weder Sceviour noch Lindberg für den SCB spielen, wird Ebbett zwei neue ausländische Stürmer verpflichten müssen, darunter wäre mindestens ein Zwei-Weg-Center als Lindberg-Ersatz.
Fehler gefunden?Jetzt melden.