Nach der PensionierungDer nimmermüde Gärtner
Für Arnold Wyttenbach bedeutete Arbeiten immer mehr als nur Geldverdienen. Deshalb will er auch nach seiner Pensionierung weiter gärtnern, einfach ohne Pflicht und ohne Lohn.

Mit 62 Jahren liess sich Arnold Wyttenbach pensionieren. «Frühzeitig, damit ich frei bin und machen kann, was ich will», sagt er und lacht. Geändert hat sich am Alltag des 75-Jährigen seither aber wenig. Der Landschaftsgärtner arbeitet fast täglich. «Mit dem Unterschied, dass mir niemand sagt, wann ich beginnen und aufhören soll oder ob ich überhaupt anfangen muss.» Ein solches Arbeitsleben habe er sich seit seiner Ausbildung zum Landschaftsgärtner in Steffisburg erträumt. Gefunden hat er es vor acht Jahren beim Alters- und Pflegeheim Kühlewil in Englisberg.
Hier führt er, an einem der wenigen regenfreien Tage in diesem Sommer, durch die Aussenanlage. Er trägt seine Lieblingskleidung, ein kariertes Hemd, Jeans und feste Schuhe. Bei den Blumenbeeten macht Arnold Wyttenbach halt. Mohn und Kornblumen blühen. Die Heimleitung wünschte sich Schnittblumen in diesem Jahr. So hat der Landschaftsgärtner ausgesät, was sich zum Sträussebinden eignet und farblich harmoniert. Er weiss: «Meine Arbeit hier wird geschätzt, und meine Ideen sind gefragt.»
Neugierde als Antrieb
Dass Arnold Wyttenbach in Kühlewil gärtnert, ist Zufall. Er habe damals den Gärtnermeister getroffen und so erfahren, dass ein freiwilliger Mitarbeiter gesucht werde. «Kaum hatte ich mich bei der Heimleitung gemeldet, begann ich mit der Arbeit.» Erst waren es zwei Tage in der Woche, mittlerweile sind es bis zu fünf. Zu tun gebe es genug: Pflanzen im Frühling, Stauden schneiden im Winter, wässern und jäten im Sommer und Herbst.
Jäten, das mache er am liebsten. «Da sehe ich in Kürze, was ich geleistet habe.» Auch könne er sich während dieser Arbeit überlegen, was er als Nächstes anpacken wolle – oder er beobachte den Milan, der am Himmel seine Kreise zieht. Beeilen müsse er sich nicht mehr. «Niemand fordert etwas von mir, ich arbeite freiwillig hier.» Geld für seinen Einsatz will Arnold Wyttenbach nicht. «Lohn verpflichtet, und von der Pflicht habe ich mich ja befreit.» Zudem wolle er vermeiden, jemand Jüngerem den Arbeitsplatz wegzunehmen.
Gärtnern sei für ihn immer mehr gewesen als bloss arbeiten, um Geld zu verdienen. «Ich hatte das Glück selber zu wählen, welchen Beruf ich lernen will, das war zu meiner Zeit ein Privileg», sagt Arnold Wyttenbach. Dass er sich freiwillig engagiere, habe nichts damit zu tun, dass er helfen oder etwas Gutes tun wolle. «Mein Antrieb ist die Neugier, und ich will lernen.» Früher, auf Velotouren durch Deutschland und Frankreich mit seinem inzwischen verstorbenen Freund, habe er haltgemacht bei Gewächshäusern, nach dem Chef verlangt und um eine Führung gebeten.
Um zu lernen, habe er nach seiner Pensionierung unentgeltlich im Jura Trockenmauern errichtet und geflickt, bei Waldbauprojekten mitgeholfen und so in Graubünden Schutzwälder von Konkurrenzpflanzen befreit und im Tessin 600 Jahre alte Edelkastanienbäume gepflegt.
Der Garten daheim in Köniz sei zu klein für seinen grossen Tatendrang. «Das erkennt auch meine Frau Trudi und ist mit meinem Engagement ausserhalb einverstanden.» Die beiden Kinder hätten längst eine eigene Familie, die Grosskinder sind erwachsen.
Arbeiten, solange die Kräfte reichen
Er sei ein Morgenmensch und stehe um fünf Uhr auf. Dann bereite er das Frühstück zu und lese diese Zeitung. Kurz nach sechs Uhr fährt Arnold Wyttenbach mit seinem E-Bike zu Hause los, durchs Köniztäli, den Stutz hinauf nach Kühlewil. Im Sommer auch bei schlechtem Wetter, im Winter bei viel Schnee gehe er zu Fuss. Manchmal auch am Sonntag: «Dann nur um zu schauen, ob sich etwas getan hat.»
Dass das nicht immer so weitergehen kann, ist sich Arnold Wyttenbach bewusst. «Ich hoffe einfach, dass ich noch ein paar Jahre genügend Kraft habe, um zu arbeiten.» Wenn diese Zeit dann vorbei und auch das selbstständige Haushalten nicht mehr möglich sei, könne er sich vorstellen, mit seiner Frau hierher nach Kühlewil zu ziehen.
Doch der Gedanke, dass er nicht mehr gärtnern kann, behagt Arnold Wyttenbach nicht. Lieber führt er weiter durch die Anlage, bis zu jenem Stück Wiese, wo er im Herbst Schlüsselblumen pflanzen und Narzissenzwiebeln setzen will, «damit im nächsten Frühling etwas blüht und es hier draussen farbig ist».
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