Der neue Premier macht sich bereit für den Crash
Boris Johnson treibt die Planungen für einen No-Deal-Brexit energisch voran – dazu soll auch eine 100 Millionen Pfund teure Informationskampagne gehören.

Das britische Parlament mag sich bis zum 3. September in die Sommerferien begeben haben, wo mancher Abgeordnete in Ruhe darüber nachdenkt, wie der neue Premierminister daran gehindert werden kann, das Land ohne Deal aus der EU zu führen. Boris Johnson selbst hingegen verliert keine Zeit mit der Planung für den Crash am 31. Oktober. Am Wochenende meldete der «Telegraph», die Regierung plane eine nie dagewesene Informationskampagne zum No-Deal-Brexit mit Anzeigen, Flugblättern und Werbespots, die etwa hundert Millionen Pfund kosten solle.
Boris Johnson soll überdies Anweisung gegeben haben, dass sich der No-Deal-Planungsstab täglich im Sitzungsraum Cobra trifft, in dem üblicherweise Sicherheitsbriefings stattfinden; zweimal pro Woche sollen sich ausserdem die für den Brexit zuständigen Minister zur Absprache treffen. Und der frühere Chef der Austrittskampagne, Johnsons neuer Berater Dominic Cummings, wird damit zitiert, dass der Brexit umgesetzt werden solle – «by any means necessary». Damit nutzt er, sicher nicht zufällig, eine Formulierung, die den so legendären wie radikalen US-Bürgerrechtler Malcolm X berühmt gemacht hatte.
Brüssel sei «störrisch»
All das soll die Kompromisslosigkeit unterstreichen, mit der das Team um Johnson in den kommenden Monaten am No Deal arbeiten will. Und es soll Eindruck machen in Brüssel, wo sich das britische Kabinett selbst offenbar rarmachen will. Der neue Aussen- und frühere Brexit-Minister Dominic Raab sagte am Montag der BBC, das Königreich habe nach einem harten Brexit eine bessere Verhandlungsposition gegenüber der EU.
Die Gesprächspartner in Brüssel erwiesen sich leider als zu «störrisch», um den «undemokratischen Backstop», die Notfalllösung für Nordirland, zu kippen. Solange sich Brüssel aber nicht bewege, müsse London alles tun, um den Briten «die Sicherheit zu geben, die sie brauchen». Raab wich der Frage aus, ob er demnächst in die europäischen Hauptstädte zu reisen gedenke; er habe vielmehr Pläne für Reisen nach Südamerika und Asien, denn es gebe andere attraktive Partner für sein Land.
Die Versprechungen könnten teuer werden
Eine Sprecherin des Premierministers legte später nach, als sie mitteilte, auch Johnson habe vorerst nicht vor, europäische Staats- und Regierungschefs zu treffen, solange diese nicht der Abschaffung des Backstops zugestimmt hätten. Johnson hat auch noch nicht mit dem irischen Premier gesprochen, obwohl die Beziehungen zu Irland bei einem harten Brexit besonders belastet würden. Stattdessen reiste Johnson am Montag nach Schottland und versprach dort eine Geldspritze von 300 Millionen Pfund für Schottland, Wales und Nordirland.
Allerdings fiel das Willkommen für den Premier in Edinburgh denkbar kühl aus. Die Ministerpräsidentin von Schottland sagte, Johnson treibe das Land «in eine Katastrophe». Auch Johnsons Parteifreundin, die schottische Tory-Chefin, sagte, die Politik des Premiers sei falsch. Sie könne sich nicht daran erinnern, während der Referendumskampagne gehört zu haben, dass es unumgänglich sein könne, die EU ohne jeden Vertrag zu verlassen. Sie werde alles tun, um diese Entwicklung im Oktober zu verhindern.
Viel Aufmerksamkeit zog zu Wochenbeginn auch eine sehr kritische Studie des Thinktanks «Institute for Government» (IfG) zum No Deal auf sich. Die Fachleute warnen darin, all die schönen Versprechen, die der neue Premier bei Amtsantritt gemacht habe, seien bei einem harten Brexit nicht finanzierbar; dazu würden die Folgekosten und die Abfederung von Notfällen viel zu teuer werden.
Gefährdeter Zusammenhalt
Das IfG wies auch die Behauptung von Johnson zurück, ein «managed No Deal», also ein Austritt mit lauter kleinen, bilateralen Nebeneinigungen anstelle eines grossen Vertrags mit der EU, sei möglich. Der Zusammenhalt der vier Nationen im Königreich werde stark gefährdet, so die Forscher. Und die Übernahme der Exekutive von Nordirland durch London, in Grossbritannien als «direct rule» bekannt, werde im Falle eines No Deal wohl unausweichlich.
Aussenminister Raab wollte sich am Montag allerdings zu einer nötig werdenden Übernahme der Regierungsgewalt in Belfast, die bei den Nordiren selbst als äusserst problematisch gilt, nicht äussern. Da Nordirland allerdings seit etwa zweieinhalb Jahren keine funktionierende Regierung hat und im Falle eines harten Deals samt der zu erwartenden ökonomischen und politischen Belastungen harte Entscheidungen und eine schnelle Krisenbewältigung nötig werden könnte, dürfte eine Intervention aus London unter diesen Umständen unausweichlich werden.
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