Der Meistermacher
Beim SCB wird in der Trainerkabine Finnisch gesprochen. Überhaupt hat Kari Jalonen in Bern ein kleines Imperium aufgebaut. Der 59-Jährige ist kein Publikumsliebling, aber der Erfolg gibt ihm recht.
Kari Jalonen gehört nicht zu den Coachs, die sich als Entertainer verstehen. In Interviews macht er keine Sprüche, auf der Bank keine Faxen. Zuweilen rückt er seine Brille zurecht, manchmal streckt er den Rücken durch – viel mehr gibt es nicht zu sehen.
Auch sonst wirkt der Finne unnahbar, ab und zu sogar grantig. Viele Aussenstehende dürften sich schon die Frage gestellt haben, wie es die Spieler mit einer derartigen Spassbremse aushalten. Die Antwort: gut – weil der Schein trügt. Es ist zwar nicht so, dass sich Jalonen in der Garderobe kumpelhaft gibt, aber wie sagt doch Justin Krueger: «Kari ist meistens ernst, versucht aber, eine lockere Stimmung zu schaffen. Er betont oft, dass wir das Spiel geniessen sollen.» Und Mark Arcobello erzählt: «Karis Botschaft ist: Eishockeyspielen muss Spass machen.»
«Kari lässt uns spielen, wir sind keine Roboter auf dem Eis.»
Bei den Meinungsmachern unter den SCB-Fans steht der Finne nicht allzu hoch im Kurs. Noch bis vor zwei Wochen wurde im Fanforum unter der Rubrik «Kari raus!» intensiv diskutiert. Vorgeworfen wird dem Finnen, er lasse «Schablonenhockey» spielen. Die Beteiligten widersprechen. «Klar haben wir ein System, aber wir haben innerhalb dieses Systems Freiheiten, sodass die Spieler ihre Kreativität ausleben können», erzählt Krueger.
Arcobello sieht es ähnlich. Der Coach implementiere ein Grundsystem, lasse die Spieler ansonsten aber die Instinkte und Fähigkeiten nutzen, die sie mitbrächten. «Kari lässt uns spielen, wir sind keine Roboter auf dem Eis», hält der Topskorer bestimmt fest.
Die Sauna als Beispiel
Jalonen ist stur und, das ist spürbar, von sich und seinen Methoden überzeugt. Er zieht seine Linie konsequent durch, immer. Wenn er glaubt, ein Jungprofi sei noch nicht reif für die höchste Liga, dann setzt er ihn auch nicht freiwillig ein. Keine Sekunde. Wenn er denkt, es sei zum Gewinnen nötig, forciert er seine Leistungsträger.
Unabhängig von der Tabellensituation, unabhängig vom Programm, unabhängig von der Meinung des Sportchefs. Jalonen hat in Bern ein kleines Imperium errichtet. Dass auf sein Begehren hin im Stadion eine Sauna eingebaut wurde, dient als belangloses Beispiel dafür, welches Gewicht sein Wort hat.
«Kari kommt mir vor wie ein Formel1-Chefmechaniker – er ist mit der Leistung nie zufrieden.»
Konditionstrainer Roland Fuchs ist der einzige Nicht-Finne im Coaching-Staff. Samuel Tilkanen (Assistenztrainer/Videocoach) war von Anfang an dabei, Mikko Haapakoski (Assistenztrainer) und Aki Näykki (Goalietrainer) stiessen auf diesen Winter hin zum SCB. Geändert hat dies an der Atmosphäre im Garderobentrakt nichts. «Es war immer klar, wer der Chef ist», berichtet Arcobello.
Und Clubchef Marc Lüthi sagt: «Kari ist der Dreh- und Angelpunkt.» Jalonens Machtfülle ist nur so gross, weil er die Entscheidungsträger und die Profis mit seiner Kompetenz und mit seiner Arbeitsmoral überzeugt hat. «Kari sagt zwar nicht viel, aber er sieht viel», sagt etwa der scheidende Goalie Leonardo Genoni respektvoll.
«Wenn ich ausnahmsweise mal um 7 Uhr in den Kraftraum gehe, sind die Finnen schon da», berichtet Lüthi und fügt schon fast schwärmerisch an: «Wie er an diesem Motor herumschraubt, ist extrem. Kari kommt mir vor wie ein Formel1-Chefmechaniker – er ist mit der Leistung nie zufrieden.»
Die Einstellung färbt ab
Die Einstellung des Cheftrainers färbt auf die Mannschaft ab. «Was die Finnen auszeichnet, ist, dass sie extrem hart arbeiten. Sie sitzen den ganzen Tag im Büro und versuchen, alles zu analysieren. Sie wollen nichts übersehen. Wir Spieler merken, wie viel Jalonen in den Erfolg investiert, deshalb wollen auch wir hart arbeiten, stets 100 Prozent geben», sagt Krueger. Er spricht davon, dank Jalonen sei eine spezielle Kultur entstanden.
Der routinierte Deutsch-Kanadier nennt vier Punkte, die seinen Chef auszeichnen: 1. die Erfahrung, 2. die Ruhe, 3. das System, 4. die Arbeitseinstellung. Punkt 4 führt zu einer ausgeprägten Detailpflege. So hat Jalonen etliche Spieler aufgefordert, einen längeren Stock zu verwenden, weil es der grössere Hebel ermöglicht, mit unverändertem Kraftaufwand härter zu schiessen. «Er ist ein Perfektionist und will, dass jeder Stein umgedreht wird», sagt Tilkanen über seinen Mentor.
Die Methoden des Mannes aus Oulu sind wirksam, er holte als Coach in der Heimat viermal den Titel, führte 2014 mit Lev Prag das erste nicht-russische Team in den KHL-Playoff-Final, er erreichte 2016 mit dem finnischen Nationalteam den WM-Final und holte mit Bern in drei Jahren zweimal den Pokal. Man kann von Kari Jalonen halten, was man will – er ist ein Meistermacher.
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