Der Mann, der angeblich alles vorhersah
In einem vor 40 Jahren erschienenen Roman des US-Autors Dean Koontz kommt ein «Wuhan-400-Virus» vor. Kann das Zufall sein?

Dean Koontz ist kein Autor, er ist eine menschliche Schreibfabrik. Mehr als hundert Romane hat der 74-jährige Amerikaner geschrieben, zumeist Thriller, aber auch Fantasy, Mystery, Horror, Science-Fiction. Oder eine Kombination davon. Über 500 Millionen Exemplare hat er verkauft, Dutzende seiner Werke sind verfilmt worden, viele standen zuoberst auf den Bestsellerlisten.
In seinen wildesten Zeiten schrieb Koontz bis zu acht Bücher pro Jahr und verwendete rund zehn verschiedene Pseudonyme. Seine Verleger hätten ihm dazu geraten, sagte er in einem Interview. So könne er jedes Genre mit einem eigenen Pseudonym abdecken und vermeide es, die Erwartungen von Leserinnen und Lesern zu enttäuschen. Es gibt auch einige Erotikromane, die unter einem von Koontz' Pseudonymen erschienen sind und deren Urheberschaft er heute bestreitet. Es würde einen nicht wundern, wenn er selber nicht mehr wüsste, ob er alles, was ihm zugeschrieben wird, tatsächlich verfasst hat.
Aus diesem Amazonas an Unterhaltungsliteratur hat es nun einen Roman aus dem Jahre 1981 wieder in die Bestsellerlisten geschwemmt. Zu verdanken hat er dies dem Coronavirus. Das Werk heisst «Die Augen der Dunkelheit». Darin kommt ein chinesischer Wissenschaftler namens Li Chen vor, der zu den Amerikanern überläuft und ihnen verrät, welches die tödlichste Waffe der Chinesen sei: «Sie nennen das Zeug Wuhan-400, weil es in ihren RDNA-Labors ausserhalb der Stadt Wuhan entwickelt wurde. Es handelt sich dabei um den 400. Strang künstlich geschaffener Mikroorganismen, entwickelt in diesem Forschungscenter. Wuhan-400 ist eine perfekte Waffe.»
Ein Gegner des Sozialstaates
Die Sätze haben Verschwörungstheoretiker in aller Welt elektrisiert. Hat Koontz etwas gewusst? Oder geahnt? Die Verfechter der Vernunft zählen die Gründe auf, weshalb man bloss nicht daran glauben soll. Für fast jedes historische Ereignis lasse sich eine fiktionale Schilderung aufstöbern, die im Nachhinein irgendwie prophetisch wirke. Abgesehen vom Treffer mit Wuhan sei das Virus beim US-Schriftsteller ganz anders als das Coronavirus: Es töte alle Infizierten binnen weniger Stunden. Aber die Angstlust, die sich auch in einem enorm gesteigerten Interesse an Filmen, Computerspielen und anderen Romanen niederschlägt, in denen sich eine Pandemie ereignet, lässt sich mit solchen Argumenten nicht besänftigen. Genauso wenig wie das Bedürfnis, Unvorhergesehenes und scheinbar Unkontrollierbares als Teil eines zwar bösen, aber immerhin rationalen Plans zu deuten.
Koontz sagt, er sei als Kind von seinem ständig betrunkenen Vater geschlagen worden. Er war Englischlehrer, arbeitete in einer staatlichen Stiftung für arme Kinder und stellte dabei fest, dass die angeblich Schutzbedürftigen gewalttätig waren und die staatlichen Gelder in dunklen Kanälen versickerten. Seither ist der Mann mit den unverkennbar transplantierten Haaren ein Gegner des Sozialstaates. Auf seiner Website heisst es, er schreibe mindestens zehn Stunden täglich. Vielleicht haben ihn Stress und Zeitnot dazu veranlasst, inmitten der ganzen Aufregung um sein bald 40-jähriges Buch das Klügste zu tun: zu schweigen.

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