Ein filmreifes LebenDer liebenswerteste Hotelier Afrikas ist tot
George Pagoulatos leitete jahrzehntelang das Hotel Acropole in Khartum, das Revolutionen und Bombenattentate überstand. Der Grieche organisierte für Tausende Diplomaten, Archäologen und Journalistinnen Genehmigungen, Flüge, Telefone und Kontakte.

Seit 50 Jahren stehe er jeden Tag um 5.30 Uhr auf, hat George Pagoulatos einmal erzählt, so als sei sein Leben nichts Besonderes. Er hat sich ums Frühstück gekümmert, um die Gäste und deren Wünsche, der eine wollte zu den Pyramiden, die andere brauchte eine Genehmigung zum Fotografieren und noch einer hatte seine SIM-Karte verloren. Die Jahrzehnte vergingen, doch Pagoulatos ging nie weit weg, war fast immer im Hotel Acropole in der sudanesischen Hauptstadt Khartum, das ihm und seinen zwei Brüdern Thanasis und Gerasimos gehörte. Rein räumlich gesehen ein kleines Leben – und doch musste der stets zurückhaltende George Pagoulatos selbst zugeben, dass es doch ziemlich «filmreif» sei, weil die Geschichte immer wieder bei ihm vorbeikam.
Der Film über Pagoulatos’ Leben wurde leider nie gedreht, obwohl es genug Anfragen gab. Ende vergangener Woche ist er gestorben, er wurde 76 Jahre alt.

Es ist ein Leben, in dem sich die jüngere Geschichte des Sudan spiegelt. Und das zeigt, dass die Migration auch einmal in eine andere Richtung verlaufen ist, von Europa nach Afrika. Damals brachen viele verarmte Griechen nach Ägypten auf und in den Sudan. Pagoulatos wuchs in Khartum auf, übernahm von den Eltern 1967 das Acropole, das damals noch Alkohol ausschenkte und eine Art Nachtclub gehabt haben soll.

Das Hotel gibt es immer noch, das Land von damals nicht: Pagoulatos und das Acropole erlebten Staatsstreiche und die islamische Revolution, das Bier wurde in den Nil gekippt, der wenige Hundert Meter entfernt fliesst. Das Hotel überlebte die Verstaatlichung aller Betriebe und unzählige Wirtschaftskrisen. Osama Bin Laden bezog in der Stadt Quartier, Islamisten jagten das Acropole in die Luft. Die Brüder bauten es gegenüber dem alten Standort wieder auf, sie standen jahrzehntelang an der Rezeption oder sassen in ihrem kleinen Büro und machten das Acropole zu einem Hotel, das von seinen Gästen so geliebt wird wie wohl kaum ein anders in Afrika.
Das lag vor allem an George Pagoulatos. «Er war mehr als ein Gastgeber, es gab kein Problem, das er nicht lösen konnte, unter logistisch und politisch schwierigen Bedingungen», sagt Roman Deckert, der seit Jahrzehnten im Sudan wissenschaftliche und kulturelle Projekte organisiert. «George war der Fels in der Brandung, er war der beste Botschafter des Sudan.» In den vergangenen Jahrzehnten organisierte er für Tausende Journalisten, Diplomatinnen und Archäologen Genehmigungen, Flüge, Telefone und Kontakte.

Als Leni Riefenstahl in den Nuba-Bergen fotografierte und mit einem Helikopter abstürzte, machten die Brüder einen Piloten der sudanesischen Fluglinie und ein Flugzeug ausfindig, das Riefenstahl ausflog. Im kleinen Büro im Erdgeschoss hängt ein Plakat von Bob Geldof, mit warmem Dank für die Unterstützung in jener Zeit, als der singende Samariter während der grossen Hungersnot im Hotel eine Art Hauptquartier aufschlug.
Mondän war das Hotel Acropole nie, manche Zimmer haben bis heute die Dusche auf dem Gang. Der vielleicht grösste Luxus sind die dünnen Kalbsschnitzel, die es fast jeden Abend am Büffet im ersten Stock gibt. Manchmal setzte sich George dazu. Immer elegant gekleidet, ein gebügeltes Hemd, dem das ganze Chaos und der ganze Staub der Stadt nichts anhaben konnten. Ein Mann von Welt, der in einem kleinen Hotel in Khartum zu Hause war.

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