Der Krieger aus Kehrsatz
Loten Namling aus Kehrsatz kämpft von der Schweiz aus für die Unabhängigkeit Tibets. Nun spielt er in einem Dokumentarfilm die Hauptrolle.
Loten Namling steht vor dem Ciné Movie in Bern und wird um ein Autogramm gebeten. «Bin ich Brad Pitt?», fragt er und lacht sein lautes, lustiges Ha-ha-ha-Lachen. Es ist Donnerstagabend, eben fand die Kinopremiere des Dokumentarfilms «Tibetan Warrior» statt, in dem Namling die Hauptrolle spielt. Tags zuvor wurde eine gekürzte Version im Schweizer Fernsehen gezeigt. Namling schüttelt Hände, ein Mann dankt ihm für seinen Einsatz. Er freut sich über die Popularität. «Ich werde immer wieder angesprochen.»
Am Morgen darauf tritt er aus dem gelben Wohnblock in Kehrsatz und blinzelt in die Sonne. Es sei etwas spät geworden an der Premierenfeier, sagt der 51-Jährige. Sein Zuhause, das er im Film «mein Schloss» nennt, will er jetzt nicht für Fremde öffnen. In den letzten drei Wochen habe er keine Zeit mehr für den Haushalt gehabt. Wegen des Films und seiner neuen Band Porok Karpo, mit der er die Freiheit Tibets besingt.
In der Nähe der Kinder
Namling lebt seit 25 Jahren in der Schweiz, seit 20 in der Region Bern, und seit 6 Jahren in Kehrsatz. Es sei wunderschön hier, sagt er. Und obwohl er eigentlich ein Reisender, ein Abenteurer sei, er will dableiben. «Meine Kinder halten mich hier», sagt er und zeigt an den Hang über Kehrsatz. Dort oben wohnen seine 13-jährige Tochter und sein 15-jähriger Sohn bei ihrer Mutter.
In Gedanken aber ist er oft Tausende Kilometer weit weg. Vor allem in den 15 Minuten, die er sich täglich nimmt, um konzentriert an seine Heimat Tibet und seine Landsleute zu denken. Ihnen widmet er sein Leben. Darum ist er der «tibetische Krieger», wie er im Film genannt wird.
Namling ist mit seiner Familie im nordindischen Dharamsala aufgewachsen. Wenige Jahre vor seiner Geburt waren seine Eltern ins Land geflüchtet. «Sie haben mir viel von Tibet und der Invasion der Chinesen erzählt», sagt Namling. Er kennt seine Heimat, obwohl er sie noch nie mit eigenen Augen gesehen hat. Sein Bild ist nicht geprägt von den grünen Hügeln, schneebedeckten Bergen und bunten Gebetsfahnen. Sondern von Armut, Flucht und Unterdrückung.
«Es sind dramatische Geschichten», sagt Namling. Seit er sie gehört hat, kämpft er für ein freies Tibet. Von der Schweiz aus, denn tibetisches Land kann er nicht betreten – «als politischer Aktivist bekäme ich nie ein Visum». Und wenn nötig, kämpft er allein.
Ein schwerer Gang
Als er sich vor 2 Jahren auf den Weg nach Genf machte, einen Sarg mit sechzig Kilo Gepäck hinter sich herzog und kaum Kontakte knüpfen konnte, fand er sich selbst lächerlich. Er betrachtete sich in Gedanken von oben. «Ich sah abstossend aus, wie ein Clochard.» Doch dann sei ihm aufgegangen, dass er auf diese Weise das Leid seiner Heimat treffend aufzeige. Auch Tibet werde allein gelassen, bekomme keine Hilfe.
Er zog weiter westwärts, er fand immer mehr Unterstützung. Und er näherte sich seinem Ziel: Er wollte dem Moment möglichst nahe kommen, an dem andere sich selbst angezündet haben, um auf die Situation in Tibet aufmerksam zu machen. «Ich habe nicht den Mut, mich selbst zu verbrennen», sagt Namling. Aber er bewundert die 130 Menschen, die es seit 2009 getan haben.
Ein Sinneswandel
Über die Selbstverbrennungen sprach er auch mit dem Dalai Lama. Der Besuch beim religiösen Oberhaupt der Tibeter, eine Schlüsselszene im Film, führte zu einem Sinneswandel bei Loten Namling. Er setzt sich jetzt nicht mehr für die Unabhängigkeit ein, sondern für ein Nebeneinander von Tibetern und Chinesen. Eines Tages, da ist sich Loten Namling sicher, werde er tibetischen Boden betreten. «Wenn ich nicht mehr daran glaube, bin ich verloren.»
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