Murten Classics«Der harte Kern braucht die Live-Musik» – doch viele sind noch zögerlich
Das Klassik-Festival hat einen neuen musikalischen Leiter: Christoph-Mathias Mueller will ein neues Publikum erschliessen und blickt dabei bis zum Genfersee.

ist der neue künstlerische Leiter bei den Murten Classics.
Die diesjährigen Murten Classics gehen los – mit voller Publikumskapazität in einem ungewissen Jahr. Sind Sie erleichtert?
Zuerst ist es eine grosse Freude. Gleichzeitig war die Vorbereitung des Festivals auch ein grosser Stress, weil sich die Lage immer ändern kann. Darum werde ich erst am letzten Tag, wenn alles geklappt hat, wirklich erleichtert sein. Aber ich fand es toll, wie in Murten das ganze Team immer positiv geblieben ist.
Als neuer künstlerischer Leiter folgen Sie auf den langjährigen Chef Kaspar Zehnder. Er war das Gesicht der Murten Classics. Eine schwierige Ausgangslage für Sie?
Nein. Ich schätze die Arbeit sehr, die Kaspar Zehnder hier geleistet hat, und führe viele seiner Ideen fort. Aber ich bringe auch viel Erfahrung im Programmieren mit – und im Erschliessen von neuem Publikum. Für mich kam die Anfrage aber doch eher überraschend. Ich lebe seit langem im Ausland.
Sie haben schon mehrfach in Murten dirigiert, was ist an Ihrer Verpflichtung überraschend?
Der Weg vieler Schweizer Musikerinnen und Musiker führt ins Ausland. Und auch wenn sich viele international behaupten, ist das Vertrauen in sie in der Schweiz nicht besonders gross. Das ist ein verbreitetes Phänomen. Schauen Sie einmal, wie viele Chefdirigentenstellen von Schweizern oder Schweizerinnen besetzt sind. Der Weg zurück in die Schweiz ist eher selten. Das ist bedauerlich.
Die Reihe «Offen für Neues» mit eher unbekannter Musik gibt es dieses Jahr nicht mehr. Weshalb?
Es war eine persönlich geprägte Reihe von Kaspar Zehnder. Ich habe aber wie er ein grosses Interesse an interessanten Werken, die weniger bekannt sind. Auch von bekannten Komponisten wird immer wieder das Gleiche gespielt. Mein Ziel ist es, im Programm einige Spotlights zu setzen – Musik, die das Publikum nicht kennt, aber lieben wird.
Zum Beispiel?
Die moderne Erstaufführung eines Klavierkonzerts von Caroline Boissier-Butini am 25. August. Sie war eine wichtige Genfer Komponistin im 19. Jahrhundert. Gleichzeitig findet auch die Vernissage ihrer ersten Biografie statt. Dieses Zusammenspiel von Wissenschaft und Musik interessiert mich.
Sie haben erwähnt, dass Sie ein «neues Publikum erschliessen» möchten. Wen wollen Sie ansprechen?
Das Klassikfestival ist mittlerweile das viertgrösste der Schweiz. Es bietet über 30 Konzerte in 3 Wochen an, mit einem kleinen Team und vielen Freiwilligen. Das ist beeindruckend. Ich möchte, dass die Murten Classics noch mehr wahrgenommen werden. Mich fasziniert die Zweisprachigkeit von Murten. Mein Wunsch wäre, dass auch ein Publikum von Neuenburg und Lausanne nach Murten kommt.
Und wie bringt man Lausanne nach Murten?
Das hat unter anderem mit dem Repertoire zu tun. Mehr französische Werke und ein breiteres internationales Repertoire können ein Weg sein. Wobei die regionale und Schweizer Verankerung essenziell bleibt.
Sie haben sich entschlossen, im Schlosshof Murten die Akustik zu verbessern. Wie wollen Sie das machen?
Der Klang ist relativ trocken, für die Musiker ist es nicht ganz einfach, einander zu hören. Wir haben nun die Bühne flacher gemacht. Ob das hilft, wissen wir erst, wenn das Festival gestartet ist. Was wir noch nicht beeinflussen können, ist der Wind. Wenn es vom See her bläst, weht es den Klang seitlich weg. Klangsegel wären eine Lösung, aber da gibt es noch die eine oder andere denkmalpflegerische Auflage. Der Ort ist und bleibt aber magisch.
Die Pandemie ist trotz Lockerungen und Covid-Zertifikaten noch da. Kommt das Publikum wieder?
Wir beobachten, was alle anderen Festivals auch feststellen: Die Leute sind vorsichtig. Es gibt den harten Kern, der die Live-Musik braucht und so schnell wie möglich wieder an die Konzerte geht. Andere sind noch eher zurückhaltend. Es ist eine Verunsicherung da, das sieht man in den Vorverkäufen. Man muss sich wohl erst wieder daran gewöhnen, gemeinsam Kultur zu erleben.
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