Der grosse Umbruch
Der Kanton Bern hat seine Mandate im Asylwesen neu vergeben. Die grosse Gewinnerin ist das Schweizerische Rote Kreuz. Caritas, Heilsarmee und Asyl Biel & Region gehen leer aus. Hunderte Jobs sind in Gefahr.

Aus dreizehn mach vier. Der Kanton Bern hat am Freitag entschieden, welche Partner für ihn künftig das Asylwesen managen. Unterbringung, Integrationsförderung, Sozialhilfe: Das komplette Asylangebot wird bis 2020 neu geregelt. In fünf Regionen des Kantons wird dann jeweils eine Organisation die Verantwortung tragen. Das Auftragsvolumen beträgt total stolze 40 bis 50 Millionen pro Jahr.

Die grosse Gewinnerin der Neuausschreibung ist das Schweizerische Rote Kreuz Kanton Bern. Es erhält gleich zwei der fünf Lose (Mittelland und Seeland-Berner Jura). In der Region Stadt Bern und Umgebung ist weiterhin die Stadt selbst fürs Asylwesen zuständig. Auch das Oberland geht an eine lokal verankerte Organisation, die Asyl Berner Oberland. Das Los Oberaargau-Emmental bekommt die gewinnorientierte Firma ORS Service AG. Für diese vier Organisationen war es ein guter Freitag, sie haben eine Zukunft im Kanton Bern (siehe Zweittext).
Für jene, die leer ausgingen, aber ist der Entscheid existenzbedrohend.
Hunderte Jobs in Gefahr
«Wir stehen vor einer Massenentlassung», sagt Oliver Lüthi, Kommunikationsleiter der Caritas Bern. Gut 90 Mitarbeitende sind bei der Caritas Bern in der Betreuung und Integration von Flüchtlingen beschäftigt. «Wir können diesen Leuten spätestens ab Ende 2020 keine Perspektive mehr bieten.» Verschiedene Leistungsverträge mit dem Kanton Bern laufen dann aus. Die Caritas hat sich für alle fünf Lose beworben, aber keinen einzigen Zuschlag erhalten. Sie überlegt sich nun, von ihrem Beschwerderecht Gebrauch zu machen. In den nächsten Tagen werde man die inhaltliche Begründung des Kantons genau analysieren, sagt Lüthi. Das sei man auch den eigenen Mitarbeitern schuldig.
Die Vergabe trifft auch die Heilsarmee-Flüchtlingshilfe (HAF) hart. Diese ist seit 35 Jahren im Kanton Bern tätig. Heute gehört sie zu den grössten Dienstleistern im Kanton, führt neun Asylzentren, betreut rund 3500 Asylsuchende und hat gut 650 Wohnungen für die Unterbringung angemietet. Die HAF hatte sich auch für alle Asylregionen beworben und rechnete sich gute Chancen aus. Nun steht sie mit leeren Händen da.
170 Jobs in Gefahr
Einzig in der Stadt Bern und Umgebung wird die HAF weiterhin Kollektivunterkünfte führen, als Unterakkordantin für die Stadt Bern – es ist ein schwacher Trost. Von den heute rund 200 Mitarbeitenden sind nur 20 bis 30 Personen in diesen Zentren tätig. Entsprechend tief sitzt der Frust. «Total enttäuscht», entfährt es Daniel Röthlisberger, dem Direktor des Heilsarmee-Sozialwerks. «Es gibt kein anderes Wort dafür.» Laut Röthlisberger steckte die Organisation viele Ressourcen in das Projekt: «Wir haben uns sehr gut vorbereitet, Pilotprojekte gewagt, neue Arbeitsintegrationskurse entwickelt.» Und trotzdem hat es nicht gereicht.
Warum nicht? Eine erste Analyse habe ergeben, dass die Niederlage sehr knapp ausgefallen sei, so Röthlisberger. «Nur wenige Punkte fehlten für den Zuschlag in mehreren Regionen.» Wie die Caritas will die HAF die Resultate nun genau prüfen und rechtliche Schritte in Erwägung ziehen. Ob die Heilsarmee den mühsamen Gang durch die Instanzen antritt und versuchen wird, sich einen Zuschlag zu erstreiten, ist völlig offen.
Röthlisberger erinnert an die Rolle, die seine Organisation vor nicht langer Zeit übernahm. «Als sich die jüngste Flüchtlingskrise 2015 akzentuierte, stand der Kanton vor einer humanitären Katastrophe.» Überall habe die Verwaltung verzweifelt nach Plätzen gesucht. Das System sei an seine Grenzen gestossen. «Aber die Heilsarmee ist marschiert.» Man habe Kirchenräume zur Verfügung gestellt, kurzfristig Zentren in Betrieb genommen. Lohn gibt es dafür nun keinen. Röthlisberger: «Darum schmerzt es umso mehr.» Die HAF steht vor einer Zäsur. «Uns bleibt nur ein kleiner Auftrag», so Röthlisberger. «Wir werden Leute entlassen müssen.»
Vor dem Nichts
Bitter ist der Entscheid auch für den Verein Asyl Biel & Region (ABR). Die Organisation ist seit 30 Jahren lokal verankert, stemmt aktuell mit rund 100 Mitarbeitenden Unterbringung, Betreuung und Integration von 1500 Personen. Aufgaben, die ihr nun entzogen werden. ABR bewarb sich lediglich um die Asylregion Berner Jura und Seeland – nach dem Entscheid steht der Verein vor dem Nichts.
ABR-Geschäftsführer Philipp Rentsch ist schwer enttäuscht: «Wir verfügen nur über begrenzte Mittel und haben keine PR-Maschinerie, die für uns grosse Konzepte schreibt.» Entsprechend belastend sei der Vergabeprozess gewesen. «Unsere Leute sind allesamt stark ins Tagesgeschäft mit den Asylsuchenden eingebunden, und trotzdem haben wir sehr viel in die Bewerbung investiert.» Er ist überzeugt, dass man mit bescheidenen Mitteln eine gute Eingabe gemacht hat. Nur, ABR war chancenlos. «Für mich ist es schwer nachvollziehbar, dass unsere Bewerbung im Vergleich zu den anderen derart stark abfallen soll.»
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