Der Grosse Rat will mehr Polizisten – aber nicht für Verkehrskontrollen
Der Grosse Rat spricht sich für eine Aufstockung des Polizeikorps aus – vorerst aber nur für 170 neue Stellen.

Weit vorne auf der ewigen Hitliste von Politikerzitaten steht ein Satz von Winston Churchill: «Traue keiner Statistik, die du nicht selber gefälscht hast.» Der Grosse Rat bewies in der gestrigen Debatte, dass selbst eine an und für sich unumstrittene Statistik zu fundamental divergierenden Meinungen führen kann – nämlich wenn es um deren Interpretation geht.
Die Polizeistatistiken der letzten Jahre zeigen: Die Straftaten sind in allen Bereichen rückläufig. Das betonen die Linken.
Die Polizeistatistiken der letzten Jahre zeigen aber auch: Die schweren Gewalttaten nehmen zu. Das betonen die Rechten.
Entsprechend uneinig waren sich die Grossräte, wie angespannt die Sicherheitslage im Kanton Bern denn nun wirklich ist. Während sich die Linken in einem mehr oder weniger sicheren Land wähnen, berichten die Rechten von Frauen, die sich nachts nicht mehr allein auf die Strasse wagen.
Müller will 360 Stellen
Von der Sicherheitslage abhängig ist, wie viele Polizistinnen und Polizisten der Kanton Bern beschäftigen soll. Polizeidirektor Philippe Müller (FDP) kündete Anfang Jahr an, dass er das Polizeipersonal über die nächsten Jahre schrittweise aufstocken will. 360 neue Stellen will Müller bis 2030 schaffen. Seine Begründung: Heute ist die Kapo Bern stark unterbesetzt.
Ein Indiz dafür sind die 553'000 Überstunden, welche die Polizistinnen und Polizisten in den vergangenen Jahren geleistet haben – das sind 26 Arbeitstage pro Mitarbeiter.
Auch zeigt ein kantonaler Vergleich, dass der Kanton Bern verhältnismässig wenig in seine Sicherheit investiert. 1 Polizist kommt auf 521 Einwohner, das schweizweite Mittel liegt bei 454.
«Mit geschicktverwendetenStatistiken kann eigentlich allesbewiesen werden.»
Dass die Polizei mehr Personal braucht, war im Grossen Rat denn auch relativ unbestritten.
Die Frage war stattdessen, wie viel mehr Polizisten es sein sollen und für was diese eingesetzt werden. Mirjam Veglio (SP, Zollikofen) sprach der Polizei ihren Bedarf nicht ab.
Dennoch hatte sie äusserst kritische Worte für die Argumentation in Müllers Bericht. An manchen Stellen sei dieser geradezu «tendenziös», etwa wenn es um Einschätzungen zur Sicherheitslage geht.
Auch Thomas Gerber (Grüne, Hinterkappelen) fand, der Bericht zeichne ein zu «dunkles Bild» des Kantons Bern. Sein Befund: «Mit geschickt verwendeten Statistiken kann eigentlich alles bewiesen werden.»
SVP-Vertreter hielten während der Debatte wacker dagegen. Immer wieder brachten sie ihr Lieblingsfeindbild ins Spiel, die Reitschule. Die verrückteste Geschichte hatte dabei Thomas Knutti (SVP, Weissenburg).
Parteikollege Beat Bösiger (SVP, Niederbipp) sei dort kürzlich mit einem Wasserballon beworfen worden, vermeldete er. Knutti war es auch, der mit einer Planungserklärung weiteren Pfeffer in die Debatte brachte.
Er verlangte, dass das neue Polizeipersonal explizit nicht für Radar- und Verkehrskontrollen eingesetzt werden darf. Eines seiner Hauptargumente drehte sich tatsächlich um Lichtkontrollen der Polizei an Schlachtviehmärkten.
SVP-nahe Bauern hätten eine Häufung dieser Kontrollen während der Anlässe festgestellt. «Das ist eine Schikane für unsere Bauern», ärgerte sich Knutti. Der Gipfel seien aber die vielen Radarkontrollen zwischen Bern und Thun – sechs Radarkästen habe die Polizei auf dieser Strecke montiert.
Die SVP sei nicht grundsätzlich gegen Kontrollen, wiederholte Knutti mantramässig. «Aber was da passiert, ist reine Willkür.»
Gegen «Phantompolizisten»
Etwas überraschend, weil gegen den Willen der Regierung, fand Knuttis Anliegen eine knappe Mehrheit. Mit 77 zu 67 Stimmen legte das Kantonsparlament fest, dass die neuen Polizisten nicht für mehr Verkehrskontrollen eingesetzt werden dürfen.
Unbestritten war – trotz all der Vorbehalte der Linken zur Sicherheitslage – der Plan der Regierung zur schrittweisen Erhöhung des Polizeipersonals.
Der Grosse Rat fügte in den Bericht jedoch einige Bremsklötze ein. Etwa, dass der Personalbestand nach der ersten Ausbauetappe – sie umfasst 170 neue Stellen bis 2025 – nicht automatisch weiter aufgestockt wird.
Zuerst muss Müllers Polizeidirektion eine Evaluation vornehmen. Zudem soll das neue Personal prioritär dem Abbau von Überstunden dienen.
Das grösste Problem dürfte sein, diese 170 neuen Polizisten zu finden. Die Kapo Bern tat sich bei der Rekrutierung von neuem Personal in den letzten Jahren relativ schwer.
Thomas Brönnimann (GLP, Köniz) machte darauf aufmerksam, dass nicht nur «Phantompolizisten auf einem Papier» angestellt werden.
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