
Solidarität ist wie Porzellan: eine feine Sache, die zerbricht, wenn man sie zu stark strapaziert. Akut ist diese Gefahr heute in der 2. Säule der Altersvorsorge, der beruflichen Vorsorge in den Pensionskassen. Im Unterschied zur AHV spart hier zwar theoretisch jede und jeder individuell für sich selber. Praktisch aber spielen solidarische Querfinanzierungen ebenfalls eine wichtige Rolle. Das ist so lange kein Problem, wie die Umverteilungen im grossen Ganzen als gerecht empfunden werden. Aber genau dies ist nicht mehr gewährleistet.
In der Generation der Babyboomer, die etwa in den nächsten zehn bis fünfzehn Jahren in Rente gehen, fühlen sich viele betrogen. Wer kann es ihnen verdenken? Zuerst müssen sie jahrelang mithelfen, die überhöhten Renten der älteren Kollegen mitzufinanzieren, die bereits pensioniert worden sind. Sie selber erhalten ausgerechnet in dieser Phase, die für das Wachstum ihres Vorsorgekapitals so wichtig ist, weniger Zins gutgeschrieben. Gleichzeitig müssen sie mit ansehen, wie die Pensionskassen landauf, landab die Umwandlungssätze senken, die für die Höhe der neuen Renten entscheidend sind. Das ist zweifach bitter für die Babyboomer. Als «Dank» für ihre geschätzte Mitfinanzierung in den letzten Jahren erhalten sie eine lebenslange Rentenkürzung.
Von Kasse zu Kasse verschieden
Klar, das ist zugespitzt und vereinfacht. Das Problem wird erstens durch die tiefe Teuerung der letzten Jahre gemildert. Zweitens ist die Situation von Kasse zu Kasse anders. Viele Vorsorgeeinrichtungen und Firmen haben das Kapital der älteren Angestellten aufgestockt, um das Rentenniveau mehr oder weniger stabil zu halten. Vielen anderen Pensionskassen hingegen fehlte das Geld dazu. Im Durchschnitt jedenfalls ist der verbreitete Groll der Babyboomer absolut nachvollziehbar.
Dieser Konflikt wird noch lange schwelen. Die Pensionskassen müssen heute vorausschauend klare Regeln festlegen, um die Fairness zwischen den Generationen zu wahren. Darauf weist die zuständige Oberaufsichtskommission des Bundes in ihrem gestern veröffentlichten Jahresbericht prominent hin. Das ist verdienstvoll. Sie fordert die Pensionskassen auf, «verbindliche Verteilungsregeln» zu definieren.
Vertrauen in das System
Plakativ gesagt: Ein Rentner, der mit einem mickrigen Umwandlungssatz von 5 Prozent in Rente gegangen ist, muss früher eine Rentenerhöhung erhalten als einer, der noch mit 7 Prozent gegangen ist. Das Beispiel ist nicht fiktiv, in vielen Pensionskassen sind die Differenzen unter den Rentnern tatsächlich so gross. Erste Pensionskassen haben auch schon solche Verteilungsregeln verankert, zum Beispiel die Pensionskasse des Kantons Zürich BVK. Sobald ihr Deckungsgrad hoch genug ist, sieht sie Rentenerhöhungen vor, die je nach Jahrgang unterschiedlich ausfallen.
In anderen Ländern ist man da weniger zimperlich. Dort werden auch laufende Renten gekürzt, wenn sie nachweislich überhöht sind. In der Schweiz hingegen ist das bis dato undenkbar. Das Argument, solche Eingriffe würden das Vertrauen in das System zerstören, hat etwas für sich. Aber das ist nicht gratis. Die Zeche dafür bezahlen zurzeit vor allem die 50- bis 65-Jährigen. Umso wichtiger, dass die Pensionskassen vorausplanen und ihnen wenigstens nachträglich Gerechtigkeit verschaffen.
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Der Groll der Babyboomer ist verständlich
Nach den grossen Rentenkürzungen braucht die 2. Säule neue Verteilungsregeln.