Der einsame Weltmeister
Der Dokumentarfilm «Magnus» zeigt, wie der Norweger Magnus Carlsen vom Wunderkind zum Schachkönig wurde. Eine packende Chronologie seines Kampfes zwischen Intuition und den Dämonen in seinem Kopf.
«Es ist einfach, Schach zu lernen, aber es ist unmöglich für einen Menschen, das Spiel völlig zu beherrschen», sagt Henrik Albert Carlsen, der Vater von Magnus Carlsen, im Film. Für «Magnus» wiederum gilt: Es ist einfach, sich von diesem Film in seinen Bann ziehen zu lassen (auch wenn man wenig bis nichts von Schach versteht, denn es ist in erster Linie kein Werk über Schach, sondern über einen aussergewöhnlichen Menschen). Aber es ist unmöglich, diesen Menschen Magnus Carlsen zu verstehen (obwohl es um ihn geht).
Magnus Carlsen, 1990 in Norwegen geboren, erlangt mit 13 Jahren als zweitjüngster Schachspieler der Geschichte den Grossmeistertitel. Da fasst er den Beschluss: Ich will der Beste werden. 2013, kurz vor seinem 23. Geburtstag, ist er der Beste der Welt, hochoffiziell: Carlsen besiegt im WM-Kampf von Chennai Titelverteidiger Viswanathan Anand und wird Weltmeister.
Den Titel hat er seither Jahr für Jahr verteidigt. Er ist der «Zauberer», der «Mozart des Schachs» und gleichzeitig auch dessen Popstar. Er macht jetzt Modeshootings und sieht beim Beachvolleyball gut aus. Er spielt in einem Schaukampf an der Harvard-Universität mit verbundenen Augen gegen zehn Topspieler gleichzeitig und schlägt sie alle. Ein Experte im Film vergleicht seine Taten auf dem Schachbrett mit der Ersteigung des Mount Everest – in Turnschuhen und ohne Sauerstoff. Etwas unmenschlich. Doch Carlsen, das Genie, kommt im Film sehr human daher. Denn es sind urmenschliche Komponenten, die die Fähigkeiten seines Gehirns gleichermassen antreiben und bremsen: Ehrgeiz und Unsicherheit.
Früh unter Beobachtung
Der norwegische Regisseur Benjamin Ree (27) kann in «Magnus» auf eine schöne Menge Material aus dem Familienarchiv zurückgreifen. Und somit die Dokumentation, die als simple Chronologie der Dinge angelegt ist, schon im frühen Kindesalter lancieren. Wir wundern uns, wie oft die Kamera offensichtlich dabei war bei den Carlsens. Der kleine Grosse steht schon früh unter genauer Beobachtung; die Eltern lieben und fördern ihn, doch unausgesprochen schwingt viel Forderung mit. Auch in der Schule wächst der Druck.
Über seine frühen Jahre sagt Carlsen später im Film: «Es ist ziemlich schwierig, cool zu sein, wenn man Schach spielt.» Magnus weint manchmal, wenn er gemobbt wird. In seiner Rolle als Aussenseiter wird es ihm umso wichtiger, gut im Schachspiel zu sein. Henrik Albert, der Vater, sagt: «Nichts auf der Welt ist so wichtig für ihn, wie gut zu sein.» Also denkt, liest, spielt Magnus Schach, Tag und Nacht, doch wenn der Druck zu gross wird, versagt seine Intuition, von der sein Spiel lebt.
Jenseits der Vorstellungskraft
Interessanterweise verbringt der Film viel Zeit mit diesen Komplikationen oder Dämonen, wie Carlsen selbst sagt, es ist kein Eilen von Sieg zu Sieg. Vielleicht auch, weil diese Seite an ihm besser fassbar ist. Wie will man Intuition auf diesem Level auch dokumentieren? In seinem Kopf spielen sich Dinge ab, die jenseits der Vorstellungskraft liegen – und manchmal ist das Schachbrett sein einziges Medium. Dann sagt Magnus Carlsen: «Es fühlt sich sehr frustrierend und einsam an, wenn man der Einzige ist, der eine Sache versteht.»
«Magnus»: Vorpremiere mit norwegischer Botschaft, 11. 1., 19.30 Uhr, Kino Movie, Bern.
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