Der Ber(li)ner Saitenvirtuose
Der 28-jährige Harfenist Joel von Lerber tritt mit dem Berner Kammerorchester als Solist auf. Obwohl er seit sechs Jahren in Berlin lebt, sind Auftritte in Bern für ihn stark von Heimatgefühlen geprägt.

Wenn Joel von Lerber als Jugendlicher seine Harfe dabeihatte, war das jeweils kaum zu übersehen: Im Postauto von Rüeggisberg nach Bern war das Instrument jeweils das Erste, was man hinter der sich öffnenden Tür entdeckte. Nicht gerade handlich, dieser menschenhohe Rahmen mit seinen gespannten Saiten – aber Joel von Lerber zweifelte nie an seiner Instrumentenwahl. Oder zumindest fast nie: «Es gab einen kurzen Moment im Alter von zehn Jahren, als ich mit dem Harfenspielen aufhören wollte, weil ich es blöd fand. Schon nach einer Woche bereute ich die Entscheidung. Und dann musste ich ein halbes Jahr warten, bis im Konsi das nächste Semester begann!», erzählt von Lerber lachend.
Ohne Schwierigkeiten
Er hat gut lachen, könnte man sagen, denn von da an schien dem Talent alles leicht von der Hand zu gehen. Von seinem Harfenlehrer am Konsi wurde er ermuntert, über ein Musikstudium nachzudenken; nach einem unverbindlichen Vorspiel in München wurde ihm von der dortigen Professorin geradezu der rote Teppich zu den Hochschulen ausgerollt. «Sie sagte mir, ich könne irgendwo vorspielen und würde einen Studienplatz auf sicher erhalten», erinnert sich von Lerber, und in seiner Stimme schwingt immer noch ein wenig Erstaunen mit. Seine Studien führten ihn nach Zürich, Basel und schliesslich Berlin, wo er heute als freischaffender Musiker lebt.
Er sei 2014 nach Berlin gezogen, weil es ihm die Stadt angetan hätte. «Abgesehen davon, dass ich die Stadt und das Lebensgefühl hier liebe, ist Berlin natürlich ein Zentrum der klassischen Musik. Hier finden wichtige Anlässe statt, hier vernetzt man sich, hier lerne ich Leute kennen und komme so immer wieder zu neuen Engagements», so der Musiker. Er lebe sehr gut, schwärmt von Lerber, und er lebt ein Leben, wie es nur wenigen anderen im Musikberuf gelingt: Der Harfenist verdient sein Geld alleine mit seinen Engagements als Solist.
Die Wurzeln in Bern
Das alles wäre in Rüeggisberg natürlich nicht passiert. Bern, die Schweiz, das sei alles einfach sehr klein, meint von Lerber. Dennoch sei er sehr glücklich darüber, hier aufgewachsen zu sein – seine Wurzeln, seine Familie und enge Freundschaften verbinden ihn auch heute noch mit der Stadt. «In Bern pflege ich langjährige Freundschaften, die manche schnelllebige Bekanntschaft in Berlin längst überdauert haben», so der Musiker. Hierher zu reisen sei deshalb immer stark mit Heimatgefühlen verbunden. So habe auch der Auftritt mit dem Berner Kammerorchester für ihn einen anderen Stellenwert als einer mit irgendeinem anderen Ensemble.
«In Bern pflege ich langjährige Freundschaften, die manche schnelllebige Bekanntschaft in Berlin überdauert haben.»
Regelmässig reist der Harfenist für Konzerte in die Schweiz, doch findet mittlerweile die Mehrheit seiner Engagements in Deutschland statt. Die Koordination und Akquise von Auftrittsmöglichkeiten mache er immer noch selber. Der Musiker gibt aber zu, dass er sich hierfür in absehbarer Zeit die Zusammenarbeit mit einer Agentur vorstellen könnte. Das komme halt mit dem wachsenden Erfolg, so von Lerber: «Früher habe ich immer gesagt, ich bin zufrieden, wenn ich von meiner Musik leben kann – das tue ich jetzt, und zwar sehr gut. Nun kommen natürlich weitere Ziele, die ich anstrebe: der internationale Erfolg, die Zusammenarbeit mit einer Agentur».
Erste Solo-CD
Dass er sich aber auch ohne Agentur nicht bremsen lässt, hat von Lerber mit der Herausgabe seiner ersten Solo-CD vergangenes Jahr bewiesen. «Das war ein sehr aufwendiges Projekt, das mich fast ein Jahr vereinnahmt hat.» Vom Crowdfunding, der Miete des Aufnahmelokals, dem Tonmeister über die Produktion des Titelfotos und des Videoclips – er organisierte alles selber.
Auf das Resultat ist er stolz: «Ich bin sehr zufrieden, die CD wurde auf verschiedenen Radiostationen präsentiert, das RBB Kulturradio wählte sie nach Erscheinen direkt zur CD der Woche.» Und nach den Auftritten verkaufe sie sich jeweils wie warme Weggli – umso mehr, wenn er sie noch persönlich signiere, fügt er augenzwinkernd an. Dafür bieten sich in nächster Zukunft einige Gelegenheiten, ist doch von Lerbers Terminkalender gehörig voll: Ihn erwarten Konzerte in Bern, in der übrigen Schweiz, in Deutschland, in Israel. Die Harfe, die hat er dabei immer mit im Gepäck.
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Joel von Lerber: Harp (Costa Records) Live: «Saitenklänge» mit dem Berner Kammerorchester, 24. Januar, 19.30 Uhr, im Konservatorium Bern, Infos und Tickets unter www.bko.ch. «Ouvertüre» der Migros Kulturprozent Classics, Joel von Lerber (Harfe) mit Aurélie Jarjaye (Sopran), 6. April, 19.30 Uhr, im Casino Bern, Infos und Tickets unter www.migros-kulturprozent-classics.ch.
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