Der Anstand siegt in Alabama
Der Sieg des Demokraten Doug Jones über den ultra-konservativen Roy Moore im Südstaat Alabama zeigt Präsident Trump seine Grenzen auf. In der Hochburg des «Trumpismus» triumphiert der Anstand.

Am Morgen des Wahltags galoppierte der Kandidat des Präsidenten mit tief gezogenem Cowboyhut siegessicher auf seiner Stute Sassy zur Stimmabgabe. Ganz anders der Auftritt ein paar Stunden später. Da trat Moore lädiert, wie ein abgeworfener Reiter, kleinlaut vor seine Anhänger.
Die konnten genauso wenig glauben, dass die Wähler in dem tief republikanischen Alabama erstmals seit 25 Jahren einen Demokraten in den US-Senat gewählt hatten. Nach Auszählung der Stimmen lag der ehemalige Staatsanwalt Jones bei knapp der Hälfte der Stimmen (49,9 Prozent). Der zwei Mal seines Amtes enthobene ehemalige Chefrichter des Bundesstaates kam auf 48,4 Prozent. Weil sie mit keinem der beiden Kandidaten zufrieden waren, schrieben 1,7 Prozent der Wähler einen anderen Namen auf den Wahlschein.
Sexist und Rassist
Während der tief gefallene Politmacho die Niederlage nicht einräumen wollte, wusste sein grösster Unterstützer, dass er dieses Ergebnis nicht als Fake-News abtun konnte. Präsident Trump twitterte einen halbherzigen «Glückwunsch an Doug Jones zu einem hart erfochtenen Sieg». Schuld daran seien die Parteifreunde, die den eigenen Kandidaten im Stich gelassen hätten.
Den Grund für die Weigerung vieler traditioneller Konservativer, Moore nicht zu unterstützen, verschwieg Trump freilich. Denen ging es zu weit, aus blossem Machtkalkül einen Mann zu wählen, der als junger Staatsanwalt mehrere minderjährige Mädchen belästigt oder missbraucht haben soll. Ganz zu schweigen von den extremen Positionen, die der christliche Fundamentalist sonst vertritt.
Gottes Gebote über die Verfassung zu stellen, die Zeit der Sklaverei als letzte «grosse Periode» in der amerikanischen Geschichte zu bezeichnen oder muslimische Abgeordnete aus dem Kongress zu verbannen – all das ging selbst den Wählern im frommen Alabama zu weit.
Trump und sein Ex-Chefstratege Steve Bannon, der Moore als Kandidat kultiviert hatte, machten eine andere Wette. Sie taten so, als seien die Vorwürfe nichts anderes als eine Verschwörung der Medien. Enthusiastisch twitterte der Präsident noch am Wahltag, Moore werde im Senat «immer mit uns abstimmen». Das war der Plan. Nun hängt Trumps Agenda noch mehr am seidenen Faden der auf genau eine Stimme zusammengeschrumpften Mehrheit im Senat.
Der Vordenker des Präsidenten denkt nicht im Traum daran, das Scheitern seines Kurses einzugestehen. «Das wird Steves Krieg gegen das Establishment nicht stoppen», twitterte ein Vertrauter Bannons.
Comeback der Demokraten?
Den Demokraten kann das nur recht sein. Nach den Siegen bei den Gouverneurswahlen in Virginia und nun in Alabama wittern sie Morgenluft. «Der Exodus der Wähler in den Vororten der grossen Städte von den Republikanern muss ihnen zu denken geben», sagt Barack Obamas ehemaliger Chefstratege David Axelrod.
Die Analysten sind sich uneins, ob die Moore-Schlappe der Vorbote einer massiven demokratischen Welle bei den Kongresswahlen kommenden November ist oder bloss eine Eintagsfliege war. Der republikanische Senator Jeff Flake brachte die unmittelbare Bedeutung des Ergebnisses auf eine knappe Formel: «Der Anstand hat gesiegt.»
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