Der Alltag ist gefährlicher als ein Botellón
Wie sollen sich Eltern verhalten, wenn die Kinder zu viel Alkohol trinken? Wie merken sie, wann der Alkoholkonsum zum Problem wird? Was Sozialarbeiter und Fachleute raten.
Silvesterparty, Züri-Fäscht, Street Parade und jetzt ein explizit als kollektives Betrinken organisierter Anlass namens Botellón: Jugendliche Rauschtrinker werden dann zum Thema, wenn sie nach einem Grossanlass in den Medien sichtbar sind. Für Sozialarbeiter und Drogenfachleute sind solche Events allerdings nicht das zentrale Problem punkto übermässigen Alkoholkonsums von Jugendlichen.
«Der Alltag bietet viele Gelegenheiten, sich zu betrinken, sei es an einem Wald- und Wiesenfest auf dem Land oder anlässlich eines Fussballspiels in der Stadt», sagt Enrico Zoppelli, der als Coach bei der Jugendberatungsstelle Samowar in Meilen arbeitet. Ein Feuerwehrfest wirke nicht provokativ wie ein Botellón - inhaltlich würden sich die beiden Anlässe jedoch kaum unterscheiden: Das eine wie das andere sei ein organisiertes Rauschtrinken.
Verbote sind kontraproduktiv
Für Zoppelli stellt sich daher nicht unbedingt die Frage, ob Eltern ihren Kindern die Teilnahme am Botellón in Zürich erlauben sollen, falls es denn überhaupt stattfinden wird. Eltern sollten das Konsumverhalten ihrer Kinder kontinuierlich beobachten und sich nicht erst dafür interessieren, «wenn sie ein paar Mal betrunken nach Hause gekommen sind», wie Zoppelli sagt. Der Alkoholkonsum müsse angesprochen werden, und zwar in einem Ton, dass die Kritik für das Kind annehmbar sei. «Verbote und Diktate bewirken oft eine Protesthaltung», sagt Zoppelli.
Katharina Gerber-Eggimann, die als Sozialarbeiterin und Elterncoach in Biel arbeitet, empfiehlt konkrete Abmachungen, damit Jugendliche heil aus einem rauschhaften Abend herauskommen. So sollen beispielsweise die Konsummenge und die Heimkehr vorgängig festgelegt werden. «Eltern müssen sich bewusst sein, dass ihr Einfluss auf ihre Kinder im Jugendalter beschränkt ist. Gehen sie mit ehrlichem Interesse und Respekt mit ihnen um, sind ihre Erfolgschancen höher», sagt die Sozialarbeiterin. Die Basis dazu werde bereits in den frühen Kinderjahren gelegt. «Wem es in dieser Zeit gelingt, eine konstruktive Konfliktkultur aufzubauen, für den wird es einfacher werden, Lösungen zu finden, wenn die Kinder in der Pubertät sind. Kinder akzeptieren ihre Eltern als unumschränkte Führungspersonen nur bis ins Alter von ungefähr 10 Jahren», sagt Gerber-Eggimann.
Statt Verbote auszusprechen, sollten Eltern danach fragen, was sich Jugendliche vom Rauschtrinken versprechen würden. «Jeder Mensch hat das Bedürfnis nach rauschhaften Zuständen», sagt Gerber-Eggimann. Vor allem kleine Kinder erreichten sie ohne Zusatzstoffe: indem sie sich im Spiel selber vergessen. Doch auch für Jugendliche gebe es Alternativen zu Alkohol und anderen Drogen, ist Gerber-Eggimann überzeugt. «Sport und Kunst sind beispielsweise Mittel, Aufregung und Rausch zu erleben, ohne sich zu schädigen», sagt sie. Den Jugendlichen müssten mehr Freiräume zu Verfügung gestellt werden, die sie selber gestalten können.
Suchtmittel gehören zur Jugend
Dass Jugendliche Alkohol ausprobieren und Suchtmittel ihre Neugier wecken, sei völlig normal und Teil des Erwachsenwerdens, ist die Sozialarbeiterin überzeugt. Heikel wird es allerdings dann, wenn der Alkohol zum einzigen Mittel der Zerstreuung werde und Rauschtrinken zum dominierenden Teil des Freizeitverhaltens. «Sobald sich ein Jugendlicher zwanghaft betrinkt, steigt die Gefahr, dass er abhängig wird», sagt Gerber-Eggimann.
Gemäss der Schweizerischen Fachstelle für Alkohol- und andere Drogenprobleme sind Jugendliche dann gefährdet, wenn sie beispielsweise dreimal pro Monat je fünf Stangen Bier, fünf Gläser Wein oder fünf Schnäpse trinken.
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