Der Ärger begann schon mit dem Ausstellungsplakat
Vor hundert Jahren öffnete die dritteSchweizerische Landesausstellung in Bern. Sie sollte den Zusammenhalt der Schweiz stärken, vertiefte jedoch den Röstigraben.
Vor hundert Jahren, am 15. Mai 1914, öffnete die Landesausstellung in Bern ihre Tore. Am Vorabend des Ersten Weltkriegs sollte sie den Zusammenhalt der Schweiz stärken. Doch die Berner «Landi» vertiefte den Röstigraben und verschärfte auch andere Gegensätze.
Der Ärger begann schon mit dem Ausstellungsplakat, das einen Reiter vor dem Hintergrund der Stadt Bern und der Alpen zeigte. Denn das Pferd hatte eine grünliche Farbe - und das löste einen Sturm der Empörung aus. So ein «Spinatross» sei wieder «typisch deutsch», schimpften viele Westschweizer. Sie konnten nichts anfangen mit den künstlerischen Freiheiten, die sich moderne Maler um Ferdinand Hodler nahmen. «Ein grünes Pferd ist eine Lüge, und Lügen sind nie schön», schrieb eine Zeitung. Die Veranstalter liessen extra für die Westschweiz ein neues, harmloses Plakat drucken. Doch der Streit der Kulturen war nicht mehr aufzuhalten.
«Style de Munich»
Augenfällig wurde der Röstigraben bei den unterschiedlichen architektonischen Stilen auf dem Gelände. Die wenigen Pavillons von Westschweizer Architekten orientierten sich an Renaissance und Barock - sie gingen fast unter nebst all den modernen Gebäuden der Berner Architekten, die dem Historismus längst abgesagt hatten. Die Romands sprachen abfällig vom «Style de Munich». Denn es war die Nähe der Deutschschweiz zu Deutschland, die im Westen des Landes provozierte. Der begeisterte Empfang des deutschen Kaisers 1912 in Zürich war noch in wacher Erinnerung.
Alles auf deutsch
Als die 500'000 Quadratmeter grosse Landesausstellung am Stadtrand in der hinteren Länggasse endlich ihre Tore öffnete, stand der nächste Eklat an: Die meisten Hallenanschriften waren nur in deutscher Sprache abgefasst.
Die Veranstalter schufen umgehend Abhilfe. Der Dank der Westschweiz hielt sich in Grenzen, denn nun regte man sich über den Werbechef der «Landi» auf. Der gebürtige Deutsche hatte der «Tribune de Genève» mit einem Inserateboykott gedroht, sollte die kritische Berichterstattung nicht endlich aufhören. Für Abkühlung sorgte schliesslich ein Fussballmatch zwischen Romands und Deutschschweizern. Das Spiel endete mit einem 6:0-Triumph der Westschweizer.
Viele Gräben
Doch nicht nur der Röstigraben wurde in Bern tiefer - auch andere Gegensätze akzentuierten sich. Die Industriellen nervten sich über die Berner Gewerbler und das «Heimatschutzdörfli», die Arbeiterschaft widmete sich lieber dem Klassenkampf als der kapitalistischen Leistungsschau.
Auch Frauen spielten nur eine Nebenrolle. Sie servierten den Männern das Bier und durften ihre Fertigkeiten im Sticken, Töpfern und Teppichknüpfen demonstrieren.
Trotz aller Misstöne wurde die Landesausstellung zum Publikumserfolg. Mehr als 3 Millionen Menschen strömten in die Länggasse, dies bei einer Schweizer Gesamtbevölkerung von knapp 4 Millionen Menschen. Geboten wurde ihnen eine Mischung aus Volksfest, Agrarmesse, Gewerbeausstellung und Leistungsschau. Mehr als 6000 Aussteller waren vor Ort. Erstmals vertreten waren die Automobil- und die Flugzeugindustrie, und es wurden Visionen präsentiert wie das Schiffbarmachen des Rheins bis zum Bodensee.
Soldaten statt Securitas
Doch die Gegenwart war ein Europa, das nach dem Attentat von Sarajevo am 28. Juni 1914 rasch in den Krieg schlitterte. Ende Juli ordnete der Bundesrat die Generalmobilmachung an. Nun bewachten Soldaten das «Landi«-Areal. Die Landesausstellung blieb auf Wunsch des Bundesrats offen, aber der Besucherstrom riss ab.
Am 15. Oktober 1914 schloss die «Landi» ihre Tore, die Schweiz stand im Bann des Kriegs. Die Konflikte blieben dabei dieselben. So wurde der Röstigraben im Krieg noch tiefer, unter anderem durch die Wahl des deutschfreundlichen Generals Wille.
SDA/ima
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