«Der Absinthe hat uns gerettet»
Oliver und Nicole Matter machten aus einem serbelnden Familienbetrieb einen globalen Spirituosenexporteur. Die Seeländer Brennerei ist für den Prix SVC Espace Mittelland nominiert.

Die Geschichte nimmt ihren Anfang 1920, als Ernst Luginbühl-Bögli in Aarberg begann, den Bitteraperitif Martinazzi aus Italien zu importieren und in der Schweiz zu vertreiben. 1928 erwarb er sich das Rezept, um die Spirituose fortan selber produzieren zu können. Das heute meistverkaufte Produkt der Brennerei Matter-Luginbühl, der «Gran Classico», wird noch immer nach jenem Urrezept hergestellt.
Und wie damals sein Urgrossvater legt Oliver Matter, der das Unternehmen mit seiner Frau Nicole in nunmehr vierter Generation führt, viel Wert auf Handarbeit: Die Aromen werden aus natürlichen Zutaten und Kräutern gewonnen, die Brennhäfen von Hand bedient, einzig Abfüllung und Etikettierung laufen seit 2014 automatisch. Das hat dem Familienbetrieb eine Nominierung für den Unternehmerpreis Prix SVC eingebracht.
Obschon Fruchtbrände nicht mehr den Stellenwert von früher geniessen, ist ihre Zeit nicht vorbei. (Video: Martin Bürki)
«Als wir die Firma 2005 übernahmen, stand es schlecht um sie», gestehen Oliver und Nicole Matter. Damals machten Fruchtbrände den Grossteil der Produktion aus; um den Nachschub an Obst langfristig sicherzustellen, legten Matters gar eine Plantage mit etwa 350 Hochstammbäumen an, in erster Linie mit Pflaumen und Zwetschgen. «Gutes Brennobst stammt von Hochstammkulturen, nur ist heute kaum mehr jemand interessiert, solche anzulegen», erklärt Oliver Matter.
Rockstar als Türöffner
Inzwischen machen Fruchtbrände allerdings nur noch einen kleinen Teil des Umsatzes aus. «Gerettet hat uns der Absinthe», erzählt Nicole Matter. Der sagenumwobene Wermutschnaps wurde im März 2005 nach fast hundert Jahren in der Schweiz wieder legalisiert. Die Brennerei, die 1996 von Aarberg nach Kallnach verlegt wurde, gehörte danach zu den ersten Absinthe-Produzenten der Schweiz und fand Abnehmer in Europa und Übersee.
Oliver Matter erklärt, wie die Brennerei den Absinthe-Markt eroberte und wie es zur Kooperation mit Marilyn Manson kam. (Video: Martin Bürki)
Eine Zusammenarbeit mit dem US-Rockstar Marilyn Manson, der sich an der Rezeptur für seinen «Mansinthe» beteiligte und auch das passende Etikett malte, trug den Namen Matter endgültig in die Welt hinaus und öffnete der Brennerei Türen nicht nur im amerikanischen Markt.
Mehr als Absinthe
Doch der Absinthe-Absatz stagnierte bald einmal, dafür setzten die traditionellen Bitterliköre zum Überholen an: «Bitter kamen im letzten Jahrzehnt wieder stark in Mode», erklärt Oliver Matter. «Barkeeper wollen klassische Cocktails mixen wie in den 1930er-Jahren, der goldenen Zeit der Cocktails. Dafür brauchen sie authentische Spirituosen wie unsere.» Also wurde für den «Gran Classico» Urgrossvaters Originalrezept reaktiviert.
Oliver Matter über das Original-Martinazzi-Rezept und die steigende Nachfrage nach Bitterlikören. (Video: Martin Bürki)
Zurück zu den Wurzeln – dieses Motto passt auch zur Übernahme des Restaurants Bahnhöfli in Aarberg: Das Lokal ging im Rahmen einer Erbteilung in den 80er-Jahren an den Onkel von Oliver Matter über. Im Juli 2016 haben es Oliver und Nicole zurückgekauft und nutzen es seither als Ladengeschäft, Büro und Lager, um dadurch in der Brennerei in Kallnach Platz zu gewinnen. Ins Ladengeschäft integriert wurde auch das legendäre Martinazzi-Stübli, das 1947 als erste Bar zwischen Biel und Bern galt.
«Wir haben allerdings nicht vor, unter die Wirte zu gehen», sagt Nicole Matter. «Wein zum Beispiel sucht man bei uns vergebens, es dreht sich alles um unsere Produkte. So arbeiten die Barkeeper nur mit unseren Schnäpsen. Auf diese Art wollen wir den Leuten unsere Produkte näherbringen.»
Quartierlädeli statt Grossverteiler
Dabei sind ihre Produkte gar nicht überall erhältlich: Das Geschäftsführerpaar setzt bewusst auf kleinere, regionale Verkaufspartner. Der einzige schweizweit tätige Anbieter ist die Paul Ullrich AG aus Basel. Satte 80 Prozent von den jährlich 140'000 produzierten Flaschen gehen in den Export, hauptsächlich in die USA. Noch ortet Oliver Matter Wachstumspotenzial, warnt aber: «Wer die Produktion steigert, riskiert Qualitätseinbussen. Und die wollen wir auf jeden Fall verhindern.»

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