Camper-Boom in der SchweizDer (abenteuerliche) Weg ist das Ziel
Die Corona-Pandemie hat zu einem Run auf Reisemobile geführt. Bevor es damit nichts-wie-weg in die Ferien geht, gilt es allerdings einige Fragen zu beantworten.

Fortschritt der Impfkampagne und Reiselockerungen hin oder her: Die Corona-Pandemie und die damit verbundenen Unsicherheiten haben die Reisebranche nach wie vor im Griff. Zu den Gewinnern zählen nebst dem heimischen Tourismus und den Schweizer Campingplätzen im Speziellen auch die Wohnmobile. Nachdem schon 2020 ein Rekordjahr war, verzeichnete die Importeursvereinigung Auto-Schweiz zwischen Januar und März 1839 neu zugelassene Wohnmobile, was einem Drittel mehr als in den ersten drei Monaten des Vorjahres entspricht. Das Onlineportal Autoscout 24 bestätigt den Boom: Allein für kompakte Camper sollen die Suchanfragen seit 2018 um fast 40 Prozent zugelegt haben – mit Rekordwerten im ersten Quartal 2021. Doch worauf gilt es beim Kauf zu achten? Oder tut es auch ein Mietfahrzeug? Hier ein kleiner Reiseführer für den Weg zum Wohnmobil.
Welches Fahrzeug ist für mich das richtige?
Jedes Reisemobil ist ein Kompromiss aus Mobilität und Wohnkomfort. Camper im Kleinbusformat fahren sich wie PW, geizen aber mit Platz und Annehmlichkeiten wie einer Nasszelle. Die Kastenwagen oder Camper-Vans, zwischen 5,6 und 6,4 Meter lang, sind meist mit fest installierten Betten, Dusche und WC ausgestattet, dafür bedingt alltagstauglich. Darüber rangierende Wohnmobile bis 9,0 Meter bieten noch mehr Komfort bei noch weniger Fahrfreude in engen Gassen. Und bei den besonders familienfreundlichen Alkoven-Modellen mit Schlafnische über dem Fahrerhaus erschwert die Höhe das Handling. So oder so sollte man sich nicht nur online informieren und die Wahl am Küchentisch diskutieren, sondern das Fahrzeug selbst in Augenschein nehmen, um ein Gefühl für die Dimensionen zu erhalten.
Kaufen oder mieten?
Das ist zunächst eine finanzielle Frage: Kompaktmodelle starten bei rund 45'000 Franken, Extras meist exklusive, während stattliche und luxuriös ausgerüstete Wohnmobile gut und gerne zu sechsstelligen Beträgen gehandelt werden und auch der Occasionsmarkt beim derzeitigen Boom kaum Schnäppchen bereithält – von den Unterhaltskosten gar nicht erst zu reden. Das andere ist die Verfügbarkeit: Wer heute ein neues Wohnmobil bestellt, kann nicht zuletzt durch Corona-bedingte Zuliefererprobleme oft erst im Sommer 2022 damit rechnen. Neueinsteigern sind aber ohnehin «Schnupperferien» zu empfehlen. Das geht sowohl über klassische Vermieter als auch über Sharing-Portale wie Mycamper.ch.
Welche Wohnmobile darf ich überhaupt fahren?
Erst bei einem Fahrzeuggewicht von 3,5 bis 7,5 Tonnen ist ein Ausweis der Kategorie C1 erforderlich, darunter tut es auch der gewöhnliche Führerschein der Kategorie B.
Bis 3,5 Tonnen – reicht das?
Ja, aber nicht so locker, wie man meint. Denn gemeint ist nämlich das Gesamtgewicht inklusive Reisenden und Gepäck. Und einschliesslich all dem verlockenden Zubehör auf der Optionenliste – von der Markise über den Fahrradträger bis hin zur Solaranlage. Zu beachten ist ausserdem das maximal zulässige Gewicht, im Fahrzeugausweis unter Ziffer 33 zu finden. Bei Überladung riskiert man nicht nur längere Bremswege, sondern auch saftige Bussen bis hin zum Ausweisentzug. Vor der Fahrt sollte man den Wagen daher unbedingt wägen, zum Beispiel bei einer Kehricht- oder Recyclinganlage.
Wo darf ich übernachten?
Auch wenn Wohnmobile in der Werbung gerne in malerischer Idylle inszeniert werden, ist das mit dem Wildcampen so eine Sache – in der Schweiz nicht grundsätzlich verboten, aber auch fast nirgendwo erlaubt und von Naturschutzvereinen sowieso nicht gern gesehen. Wer es nicht lassen kann, fragt vorab zumindest bei der jeweiligen Gemeinde an. Besser aber, man sichert sich gleich ein Plätzchen auf dem Campingplatz. Also jetzt. Sofort. Weil der Touring-Club Schweiz als grösster Campingplatzanbieter bereits vor einem Monat schwindende Kapazitäten meldete – im Tessin sollen die Plätze im Sommer sogar schon voll sein. Als preiswerte Alternative bieten sich Stellplätze an, zu finden etwa unter Wohnmobilland-schweiz.ch.
Gibt es auch Camper mit E-Antrieb?
So nachvollziehbar das Bedürfnis nach einem Naturerlebnis mit lokal emissionslosem Fahrzeug ist: Bislang gibt es mit dem Modell Irdium von der deutschen Firma WOF gerade mal ein in gewisser Stückzahl gefertigtes Wohnmobil mit E-Antrieb. Kostenpunkt: 169'000 Euro. Bleibt also nur die ebenfalls kostspielige Möglichkeit, den bestehenden Camper zum E-Fahrzeug oder den E-Minivan zum Camper umbauen zu lassen. Oder auf den für 2022 als elektrischen Bulli-Nachfolger geplanten VW ID Buzz zu warten. Oder mit einem PS-starken Stromer wie dem Tesla Model X oder Mercedes-Benz EQC einen Caravan an den Haken zu nehmen.
Oder?
Sich vorläufig damit zu begnügen, dass Campingferien selbst mit einem konventionell motorisierten Wohnwagen umweltschonender sind als Flugreisen mit Hotelaufenthalt, wie eine Studie des Heidelberger Instituts für Energie- und Umweltforschung (ifeu) kürzlich belegte. Der deutsche Verein Ecocamping engagiert sich derzeit ausserdem für ökologisches Campen in Europa. Mit dem entsprechenden Label ausgezeichnete Campingplätze, darunter auch einige in der Schweiz, lassen sich unter Ecocamping.de finden.
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