Neuer Tigers-Trainer«Denken Sie, ich hätte nur Pucks eingesammelt?»
Als langjähriger Assistent sei er unterschätzt worden, meint Langnaus neuer Chefcoach Rikard Franzén (52). Der Schwede sagt, dass er auch mal ausrasten könne. Und er verteidigt die lockeren Corona-Massnahmen in seiner Heimat.

Weshalb sind Sie der richtige Trainer für Langnau?
Bin ich das? Ich sage nicht, dass ich «Mister Perfect» bin. Aber ich kenne das Team, die Hierarchien, das Umfeld. Mir ist klar, was mit den Tigers möglich ist und was nicht. Und ich weiss, wie die Leute in Langnau ticken – und vor allem, worauf ich mich einlasse.
Zunächst schien der einstige Berner Meistercoach Lars Leuenberger Favorit auf den Trainerjob zu sein. Waren Sie überrascht, dachten die Verantwortlichen nicht gleich an Sie?
Vielleicht hätte ich meine Ambitionen sofort deponieren müssen. Vielleicht dachten einige im Club, ich hätte gar keine Lust auf mehr Verantwortung.
Werden Assistenztrainer generell unterschätzt?
Sicher, jedenfalls von Leuten, die nicht genau Bescheid wissen. Von denen wird man sogar belächelt. Denken Sie, ich hätte nur Pucks eingesammelt? Wohl kaum. Auch ein Assistent trägt Verantwortung, überwacht bestimmte Bereiche. Und auch wenn Heinz Ehlers (Langnaus Ex-Trainer, die Red.) mein Freund ist, suchte ich mit ihm ab und zu die Konfrontation. In Schwedens höchster Liga gibt es kein Team mit nur zwei Trainern. Mehr Augen sehen mehr, mehr Ohren hören mehr. Und mehr Nasen riechen gewisse Strömungen schneller. (lacht)
Ihnen haftet das Image des hervorragenden, aber eben auch ewigen Assistenten an.
Das kann zum Problem werden. Vielleicht wurde ich in eine Schublade gesteckt. Vielleicht war es für mich schwieriger, einen Job als Chefcoach zu bekommen als für jemanden, der zwar schon mehrmals gescheitert, aber immer wieder Cheftrainer gewesen ist. Ich war bereits in Lausanne vier Jahre lang Assistent. Aber mir gefiel die Arbeit, ich konnte mich einbringen. Nun ist die Zeit für den nächsten Schritt gekommen, eindeutig. Und Heinz sagte mir: «Los, pack diese Chance.»
«Ich bin nicht der Typ, der einfach davonrennt. Für mich hat ein Vertrag noch Bedeutung. Leider sehen das im Hockeybusiness nicht mehr alle so.»
Sie hätten als Assistent zu den ZSC Lions wechseln können. War das eine Option?
Ich will mich nicht zu Gerüchten äussern. Es gab verschiedene Angebote, nicht nur aus der Schweiz. Aber ich hatte in Langnau sowieso einen weiterlaufenden Vertrag, bis Frühling 2021.
Den Sie kaum erfüllt hätten, wären Sie nicht befördert worden.
Wer sagt das? Ich bin nicht der Typ, der einfach davonrennt. Für mich hat ein Vertrag noch Bedeutung, den gilt es einzuhalten, ausser es passiert etwas Unzumutbares. Leider sehen das im Hockeybusiness nicht mehr alle so.
Sie arbeiteten in den letzten sechs Jahren stets an Ehlers’ Seite. Der Däne legt viel Wert auf Disziplin, aber weniger auf Kommunikation. Werden Sie das ändern?
Heinz hat mich geprägt. Ich werde seinen Weg weiterführen, alles andere wäre dumm von mir. Aber es wird Anpassungen geben, die Kommunikation ist sicher ein Punkt. Ich will den Spielern meine Ideen genau erklären. Aber sie müssen auch wissen, dass ich es nun bin, der das letzte Wort hat. Bis jetzt war ich der Brückenbauer zwischen Cheftrainer und Mannschaft.
Ein loyaler, netter, verständnisvoller Brückenbauer?
Nur weil ich mich nicht in den Vordergrund drängte, heisst das nicht, dass ich immer ein lieber Kerl bin. Auch ich bin mal ausgerastet. Ich kann laut werden. Aber Respekt ist mir wichtig. Den Spielern werde ich wohl etwas mehr Verantwortung übergeben, etwas mehr Freiraum.
Ehlers wurde vorgeworfen, sich zu wenig mit den Junioren zu beschäftigen. Verlangt der Club, dass Sie auf den Nachwuchs setzen?
Für Heinz war es nicht einfach. Als er nach Langnau kam, war der Club ganz unten, es ging nur darum, das Team irgendwie zu retten. (Überlegt) Ein Trainer braucht immer Resultate, nicht jeder geht gerne Risiken ein. Aber klar: In Langnau müssen wir künftig verstärkt auf junge Spieler setzen. Das verlangt der Verein. Und ich erwarte von mir, dass ich die Jungen besser mache. Sollte es nächste Saison wie erwartet keinen Absteiger geben, hätten wir mehr Zeit, etwas aufzubauen.
«Die Schweden entschieden sich in der Corona-Krise für den liberalen Weg. Das ist ein spannender Ansatz. Aber ob es gut kommen wird, ist unklar.»
Werden Sie Verstärkungen aus dem Ausland fordern?
Es muss das Ziel sein, mit vier Ausländern zu spielen – keine Frage! Ich werde mich mit Sportchef Marc Eichmann austauschen und hoffe, im Juni bereits wieder nach Langnau reisen zu können. Je nachdem, wie sich das Coronavirus entwickelt.
Schweden geht mit der Pandemie erstaunlich locker um …
… das kann man so sagen. Es ist europaweit wohl ein einzigartiger Weg. Die Restaurants, die Läden, sie waren immer geöffnet, in wirtschaftlicher Hinsicht war das sehr positiv. Man entschied sich für den liberalen Weg und appellierte an die Eigenverantwortung. Das ist ein spannender Ansatz, den man auch als Trainer im Eishockey verfolgen kann. Ob es gut kommen wird, ist unklar. Auch in Schweden gibt es leider Todesfälle.
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