Den Gasthof ins Chaos gestürzt
Wegen mehrfachen Betrugs und Urkundenfälschungen sitzen zwei frühere Pächter des Gasthofs Roggengratbad vor dem Regionalgericht Emmental-Oberaargau. Sie beruft sich auf Erinnerungslücken. Er sieht sich als Opfer.

Wenn jemand ein Restaurant übernimmt, wird das von den lokalen Medien meist mit einem wohlwollenden Artikel begleitet. Doch als A * und B * ihre Jobs als neue Verantwortliche des Bergcampings Heiti in Gsteig vorstellten, galt diese ungeschriebene Regel nicht: «Die Prellwirte wirten wieder», zeterte der «Blick», und raunte von einem «dunklen Geheimnis»: Wenige Monate zuvor habe das Paar das Roggengratbad in Wyssachen geführt und dort einen Schuldenberg in mittlerer fünfstelliger Höhe aufgeschichtet.
Die Staatsanwaltschaft Emmental-Oberaargau ermittle gegen die beiden wegen Betrug und Urkundenfälschung, hiess es in dem Artikel weiter. Als Pächter des Roggengratbads hätten sie Lieferanten mit fingierten Post- und Bankauszügen dazu gebracht, ihnen Waren zu liefern, ohne dafür im Voraus bezahlen zu müssen.
Gegenüber dem «Anzeiger von Saanen» stellte das Duo fest, es habe in Wyssachen «Pech gehabt». Es bitte alle, sich im Heiti «ein eigenes Bild von uns zu machen». Zwei Monate später wurde das Paar an seinem neuen Wirkungsort fristlos entlassen.
Missliche Umstände
An die Zeit in Wyssachen habe sie so gut wie keine Erinnerungen mehr, behauptete die Frau am Dienstag gegenüber Einzelrichterin Nicole Fankhauser vom Regionalgericht Emmental-Oberaargau.
Schuld daran sei eine «Persönlichkeitsspaltung», hatte sie gegenüber der Polizei und der Staatsanwaltschaft zu Protokoll gegeben. Von einer solchen Krankheit wollten zwei Fachpersonen, welche die Angeklagte psychiatrisch-forensisch untersucht hatten, allerdings nichts wissen.
Dafür zeigte sich während der Befragung, dass die vorbestrafte A nur sehr bedingt dazu neigt, die Schuld für all die Unbill, mit der sie in ihren 35 Lebensjahren schon zu kämpfen hatte, bei sich selber zu suchen. Stattdessen macht sie für ihre Misere fast mantramässig missliche Umstände geltend.
Ihre letzte Stelle zum Beispiel habe sie «wegen Mobbings am Arbeitsplatz» verloren. Einen Job zu finden, sei für sie schwierig bis unmöglich geworden: Potenzielle Arbeitgeber würden routinemässig im Internet nachschauen, ob die Bewerber schon negativ aufgefallen seien. Und bei diesen Recherchen auf unvorteilhafte Artikel über sie und ihren Mann stossen. Seit September ist sie zu hundert Prozent krankgeschrieben.
Er hinterfragte sie nicht
B seinerseits liess die Richterin wissen, er sei nicht der Täter, sondern das Opfer. Seine damals neue Partnerin habe ihm vorgegaukelt, von ihrem Vater Obligationen im Wert von 250'000 Franken geerbt zu haben. Mit diesem Geld – und seinem Anteil aus der Pensionskasse, auf den er nach seiner Scheidung wartete – hätten sie sich ihren Traum von einer eigenen Beiz verwirklichen wollen.
Um das Roggengratbad zu eröffnen, habe er Lebensmittel und andere Sachen auf Rechnung gekauft. Er sei davon ausgegangen, die Fälligkeiten dank des von der Gattin prognostizierten Geldregens bald mühelos begleichen zu können. Doch dann hätten die Gläubiger immer drängender auf die Bezahlung gepocht.
Daraufhin habe er auf A «einen unglaublichen Druck» ausgeübt, um herauszufinden, was mit dem Erbe nun sei. Sie habe ihm irgendwann eröffnet, ihre generalbevollmächtigte Schwester habe das Konto fast leer geräumt. Und gleichzeitig behauptet, auf einer Bank würden noch 100'000 Franken liegen.
Sie seien allerdings wegen des Geldwäschereigesetzes gesperrt. Auf die Idee, diese Erzählungen zu hinterfragen, sei er nie gekommen, räumte der Mann ein. «Wir waren erst seit einem halben Jahr verheiratet. Da macht man so etwas doch nicht», klärte er die Richterin im Tonfall eines Onkels auf, der mit seiner minderjährigen Nichte redet.
Wenig später habe A ihm auf sein weiteres Insistieren strahlend einen Bankbeleg präsentiert. Diesem sei zu entnehmen gewesen, dass das blockierte Geld demnächst zur Verfügung stehe. Er habe das Dokument den Gläubigern gezeigt, um ihnen seine Solvenz zu demonstrieren.
Dass es gefälscht war, habe er erst gemerkt, als ein Garagist bei ihm ein Auto zurückholte, weil die Zahlung dafür entgegen den Beteuerungen des Käufers nicht ausgelöst worden war. Für diese Überweisung gab es zwar einen Beleg. Doch auch er war getürkt.
«Alle haben Fehler gemacht»
In jenem Moment sei ihm klar geworden, dass seine Frau nicht nur finanzielle, sondern auch und ganz besonders massive psychische Problemen habe. Am nächsten Morgen schloss er das Restaurant. «Ich wusste: Unser Kartenhaus war zusammengestürzt.»
«Ich wusste: Unser Kartenhaus war zusammengestürzt.»
Auf Rückzahlungen oder eine Entschuldigung des Paares warten die Geprellten noch heute. «In dieser Geschichte haben schliesslich alle Fehler gemacht», postulierte der Beschuldigte trotzig. «Aber verurteilen Sie mich ruhig», sagte er zur Gerichtspräsidentin. «Das ist mir scheissegal.»
Ob Nicole Fankhauser diesem Vorschlag folgt und wenn ja, welche Konsequenzen dies für A und B hat, zeigt sich am Mittwochnachmittag. Dann eröffnet sie die Urteile.* Namen der Redaktion bekannt.
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