Knappe EntscheidungDemonstrieren in Bern auch künftig nur mit Bewilligung
Nur weil vier Sozialdemokraten ausscherten, wird die Bewilligungspflicht nicht gekippt: Der Stadtrat lehnt eine entsprechende Motion mit 34 zu 32 Stimmen ab.

Wer in der Stadt Bern demonstrieren will, soll dafür auch in Zukunft ein Gesuch stellen müssen. Dieser Meinung ist eine knappe Mehrheit des Stadtrats.
Mit 34 zu 32 Stimmen bei 2 Enthaltungen lehnte das Parlament eine Interfraktionelle Motion ab, welche die Bewilligungspflicht aufheben wollte. Der Vorstoss stammte von den linken Fraktionen im Stadtrat. Er scheiterte daran, dass vier SP-Mitglieder ausscherten.
Die Motion forderte, dass für alle Demonstrationen nur noch eine Meldepflicht gelten soll, so wie es heute für Spontankundgebungen üblich ist. Diese sind als Reaktion auf ein bestimmtes Ereignis innert 48 Stunden möglich. Für alle anderen Demonstrationen muss eine Bewilligung eingeholt werden.
Die Stadt gewichte die Gesuche sehr unterschiedlich und heble so das Recht auf freie Meinungsäusserung aus, kritisierte Lea Bill (GB/JA). Sie mache Auflagen, vertröste Gesuchsteller auf andere Termine oder bestreite, dass die Anliegen wichtig genug seien, um Platz zu beanspruchen.
Konflikte befürchtet
Der Gemeinderat und die Ratsmehrheit sahen es anders. Erstens schreibe kantonales Recht die Bewilligungspflicht vor. Zweitens könnte eine Meldepflicht dazu führen, dass es künftig viel mehr Kundgebungen gäbe und dadurch auch viel mehr Konflikte zwischen den verschiedenen Nutzern des öffentlichen Raums.
Bei einer reinen Meldepflicht könnten Demo-Organisatoren nicht mehr in die Pflicht genommen werden. Ebenso könnte die Kundgebung selbst nur ungenügend geschützt und allfällige Gegendemos könnten nicht verhindert werden.
Sicherheitsdirektor Reto Nause (Mitte) beteuerte, Bern habe eine «absolut liberale» Bewilligungspraxis. In seiner 15-jährigen Amtszeit habe er nur etwa fünfmal eine Bewilligung verweigert, zumeist wegen der Corona-Pandemie.
Ausserdem ist es nicht so, dass ohne Bewilligung in der Stadt keine Demos möglich wären. So lässt die Stadt und die Kantonspolizei in der Regel auch unbewilligte Demoumzüge zu, sofern es dabei nicht zu Sachbeschädigungen oder Gewalt kommt.
Gegen Kostenüberwälzung
Eine Mehrheit fand sich für eine Richtlinienmotion, wonach die Stadt generell keine Überwälzung von Polizeikosten auf Organisatoren von nicht-kommerziellen, ideellen oder politischen Veranstaltungen vornehmen soll. Möglich ist dies seit dem Inkrafttreten des revidierten kantonalen Polizeigesetzes im Jahr 2020. Der Rat überwies den Vorstoss mit 38 zu 29 Stimmen.
Reto Nause betonte allerdings, Kostenüberwälzungen würden nur in seltenen Fällen vorgenommen und würden sich nur gegen rechtskräftig verurteilte Straftäter an Demos mit gewalttätigen Ausschreitungen richten. Das bisher einzige Mal geschah dies bezüglich einer unbewilligten Corona-Demo vom Herbst 2021. Die Stadt Bern hat Anfang dieses Jahres 14 Demoteilnehmende zur Kasse gebeten.
SDA/mib
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