Demonstranten zünden vor WM-Stadion Reifen an
In vier Wochen rollt in Brasilien der Ball, doch es läuft nicht rund: Neue Proteste erschüttern das Land, und im WM-Austragungsort Recife streikt die Polizei. Die Demonstranten prangern die hohen Ausgaben an.
In vier Wochen rollt in Brasilien der Ball, doch es läuft nicht rund: Neue Proteste erschüttern das Land, im WM-Austragungsort Recife streikt die Polizei. Die Demonstranten prangern die Ausgabenwut für die WM an – und die mangelnden Initiativen gegen soziale Probleme.
Vier Wochen vor Beginn der Fussballweltmeisterschaft sind in Brasilien landesweit neue Proteste gegen das Grossereignis aufgeflammt. In der Metropole São Paulo, wo am 12. Juni das WM-Eröffnungsspiel stattfindet, eskalierte dabei am Donnerstag die Gewalt: Polizisten gingen mit Tränengas und Gummigeschosse gegen Demonstranten vor. Die Protestler hatten zuvor Müllberge und Reifen in Brand gesetzt, um zwei wichtige Hauptstrasse zu blockieren. Zudem besetzten sie eine weitere Strasse, die eigens für die WM gebaut worden war. Angaben über Verletzte lagen zunächst nicht vor.
Die Aktivisten prangerten die Milliardenausgaben für die Austragung des Events an. Zudem wollten sie mit ihren Aktionen auf soziale Probleme im Land aufmerksam machen.
«Geld soll in Schulen und Krankenhäuser fliessen»
«Wir gehen mit zunehmender Kraft gegen die Ungerechtigkeiten der WM an», sagte Luana Gurther, Studentin der Sozialwissenschaft. «Wir sind diejenigen, die entscheiden sollten, wohin die Steuergelder fliessen. Und zwar in Schulen, Krankenhäuser, Wohnungen, Nahverkehr – und nicht in die WM.» Zusammen mit Tausenden anderen Aktivisten stand sie auf einem Verkehrsdrehkreuz. Etliche von ihnen schlugen lautstark mitgebrachte Trommeln und Dosen und hielten Transparente in die Höhe.
Vor dem neuen Itaquero-Stadion versammelten sich rund 1500 weitere Demonstranten. Viele schwenkten brasilianische Fahnen, im Hintergrund stieg schwarzer Rauch brennender Reifen auf. Ein Führer der Bewegung Obdachloser Arbeiter, Guilherme Boulos, sagte: «Unser Ziel ist symbolisch. Wir wollen das Stadion weder beschädigen noch zerstören.»
Es gehe um das Recht von Arbeitern auf angemessenen Wohnraum – und man wolle auf die Auswirkungen der WM auf die Armen aufmerksam machen. Viele bedürftige Anwohner hätten wegen der gestiegenen Mieten rund um das neue Stadion wegziehen müssen.
«Fifa geh heim»
Auch in Rio de Janeiro, Austragungsort des Endspiels im Juli, gab es am Donnerstagabend (Ortszeit) eine Protestkundgebung. Dabei kam es im Zentrum der Grossstadt zu Verkehrsbehinderungen. In der Hauptstadt Brasilia gingen Demonstranten mit Transparenten mit der Aufschrift «Fifa geh heim» auf die Strasse. Rund 2000 Menschen versammelten sich in Belo Horizonte.
Im Nordosten Brasiliens plünderten Randalierer im WM-Austragungsort Recife mehrere Läden. Ein Polizeistreik für mehr Gehalt leistete der Gesetzlosigkeit Vorschub. Der Ausstand der Beamten dauerte den dritten Tag in Folge an. Zwei Fussball-Ligaspiele fallen am kommenden Wochenende in der Stadt aus. Ab dem 14. Juni sollen in Recife fünf WM-Partien stattfinden.
Test für Sicherheitsbehörden
Die Kundgebungen gelten als Test für die Sicherheitsbehörden. Im vergangenen Jahr überschatteten Massenproteste gegen die hohen Aufwendungen für WM und Olympische Spiele den Confederations Cup. Allein an einem Abend gingen mehr als eine Million Menschen auf die Strasse, die sich über den schlechten Zustand des Gesundheits- und Schulwesens sowie anderer öffentlicher Einrichtungen empörten. Die jüngsten Proteste erfassten zwar weite Teile des Landes, doch war deren Umfang diesmal kleiner.
Brasilien erwartet zur Fussballweltmeisterschaft 3,7 Millionen Touristen im Land. Zwei Millionen davon würden ausdrücklich wegen der WM-Spiele und Fan-Feste anreisen, teilte die Regierung am Mittwoch mit. Der Wirtschaft würden dadurch während des vierwöchigen Turniers umgerechnet 2,2 Milliarden Euro zufliessen.
Aus dem Ausland werden bis zu 600'000 Touristen erwartet, von denen die Hälfte Spiele und Fan-Feste besuchen wollen. Die ausländischen Besucher dürften mehr Geld als brasilianische Touristen ausgeben, geschätzt würden durchschnittlich an die 1800 Euro pro Besucher. Diese Touristen wolle man für weitere Urlaube in Brasilien auch nach der Weltmeisterschaft gewinnen, hiess es.
AP/mw
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