Dem «Crazy Mayor» droht der Abstieg
Klaus Wowereit ist Europas berühmtester Bürgermeister. Er hat es auf die Titelseite des «Time»-Magazin geschafft und Berlin als hippe Metropole etabliert. Doch nun droht ihm die Mehrheit abhanden zu kommen.

Es geht ihm ein bisschen wie Hertha BSC. Der Berliner Hauptstadtklub wollte jahrelang ganz oben mitspielen, wurde als künftiger Deutscher Meister gehandelt. Nun ist er in der Zweiten Liga und muss sich wieder hoch arbeiten. So, oder zumindest so ähnlich, ist es mit Klaus Wowereit.
Neun Jahre ist der SPD-Politiker nun Regierender Bürgermeister von Berlin. Mit seinem Satz «Ich bin schwul und das ist auch gut so» hat er mehr für die Rechte von Homosexuellen getan als alle Berliner Christopher Street Days zusammen. Er hat es auf die Titelseite des amerikanischen «Time»-Magazin geschafft und mit dem Satz «Arm, aber sexy» das Image der Hauptstadt als hippe europäische Metropole geprägt.
Berlin tat das gut: Die Stadt ist angesagt wie nie zuvor - und ein bisschen mag das auch an dem «crazy mayor» Wowereit liegen.
Abgerutscht in der Beliebtheitsskala
Und nun? Nun steht Wowereit auf einer kleinen Brücke in Berlin-Kreuzberg - offenes Hemd, er will zupackend wirken - und hört sich die Sorgen von Anwohnern an. Er würde das nie zugeben, aber hergetrieben haben ihn wohl die Umfragen, in denen seine SPD bei nur noch rund 25 Prozent liegt. In der Skala der beliebtesten Politiker der Stadt rangierte Wowereit, nach Jahren auf Platz eins, zwischenzeitlich gar nur auf Platz sieben. Und in gut einem Jahr wird in Berlin gewählt.
Mehr Volksnähe zeigen kann da nicht schaden. Und so erzählen ihm aufgebrachte Menschen, dass Touristen und junge Szenegänger die «Admiralbrücke» nutzten, um Party zu machen. Gitarren, Gesang, Bier und Gegröle - wie, lieber Herr Wowereit, soll man da denn schlafen?
Die Kameras surren, die Blitzlichter blitzen und der einstige Hoffnungsträger der Bundes-SPD, der sogar mal als Kanzlerkandidat gehandelt wurde, sagt: Ich würde mich auch genervt fühlen.» Na, schönen Dank. Klaus Wowereit muss sich an die Niederungen der Lokalpolitik erst wieder gewöhnen. Denn nachdem ihm - Jahre ist das nun her - das viel beachtete Kunststück gelungen war, den maroden Haushalt der Hauptstadt zumindest einigermassen ins Lot zu bringen, schien er keine rechte Lust mehr zu haben. So hörte man es in den Fluren des Abgeordnetenhauses, so munkelten Beobachter.
Zu Höherem berufen?
Im Lokalen fehlten ihm die Herausforderungen, und so mischte Wowereit sich in die Bundespolitik ein. Es mag nach einem der Auftritte bei Maybrit Illner oder Sabine Christiansen gewesen sein, vielleicht auch nach einem der Staatsbesuche, bei denen er amerikanischen Präsidenten die Hand schütteln durfte. Irgendwann jedenfalls - so kann man vermuten - beschloss Wowereit zu Höherem berufen zu sein.
Inzwischen jedoch ist Sigmar Gabriel SPD-Vorsitzender, Andrea Nahles Generalsekretärin und Frank-Walter Steinmeier Fraktionschef. Und Wowereit? Dem droht seine Jahre lang sicher geglaubte Mehrheit in der Hauptstadt abhandenzukommen. Denn im Herbst 2011 muss er gegen ein echtes Alpha-Tier antreten: Die Grünen werden voraussichtlich Renate Künast ins Rennen schicken.
Die Chefin der Bundestagsfraktion ist eine Ur-Berlinerin und aus ihrer Zeit als Bundesministerin bekannt als Kämpferin für den Verbraucherschutz: Definitiv also ein anderes Kaliber als Wowereits bisherige Herausforderer von der CDU wie Frank Steffel oder Friedbert Pflüger. «Künast und Wowereit auf Augenhöhe», jubelte kürzlich die «taz». Und tatsächlich: In Umfragen sind beide praktisch gleichauf.
Ran ans Volk!
Für Wowereit heisst das: Ran ans Volk - auch im Osten. Im Interview der «Berliner Zeitung» erzählte der 56-Jährige jetzt von seinem Vater, der aus Bitterfeld stammt, von seiner Vorliebe für den DDR-Moderator Heinz Quermann und warf den Wessis vor, den Ossis mitunter noch immer ignorant zu begegnen.
Wowereit, der Ossi-Versteher, die bodenständige Alternative zur Grün-Intellektuellen Renate Künast - das könnte eine Strategie für die Berlin-Wahl im Herbst 2011 sein. Auf die Frage der «Berliner Zeitung», ob er nicht doch lieber Bundeskanzler werden wolle, hat Wowereit allerdings wieder mal nicht ganz eindeutig geantwortet.
Ganz zurückgekehrt ist er in der Lokalpolitik eben nicht. Vielleicht sollte er ja mal zu einem Zweitliga-Spiel von Hertha BSC gehen. Der Hauptstadtklub - so hört man - hat die Herausforderungen der vorübergehenden Zweitklassigkeit jedenfalls angenommen.
Ulrich Kraetzer/ dapd/jak
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