DDR plante einen Hightech-Wall
Bis zuletzt experimentierte das SED-Regime an neuen technischen Methoden, um die Flucht in den Westen wirksamer zu stoppen.
Noch ein Jahr vor der Wende von 1989 begann das Militärtechnische Institut der Nationalen Volksarmee (NVA) unter dem Arbeitstitel «High-Tech-Mauer-2000», das DDR-Grenzsystem des 21. Jahrhunderts zu entwickeln. Bis zuletzt experimentierte das DDR-Regime an neuen technischen Methoden, um Republikflüchtlinge effektiver an ihren Vorhaben hindern zu können. 50 Jahre nach dem Bau der Mauer schildern Historiker der Technischen Universität Berlin (TU) in einem Buch neue Details zur Baugeschichte des «antifaschistischen Grenzwalls».
Die nie umgesetzten Planungen sollten die Überwindung der sozialistischen Grenze zum Westen mit Sensortechnik und Elektronik verhindern - statt mit Sperrzäunen und Schusswaffen. Unter anderem wurde hierbei der computergesteuerte Einsatz von Mikrowellenschranken und seismischen Sensoren erwogen. Darüber hinaus sollte die Mauer streckenweise mit Hecken umpflanzt werden und damit ein «grünes» Hindernis bilden, das sich ins Landschaftsbild einpasste.
Auf Schusswaffen wollte das Regime jedoch nicht aus Menschlichkeit, sondern aus Imagegründen verzichten. Sirenengeheul, laute Schüsse und grelle Suchscheinwerfer erregten Aufmerksamkeit für die Fluchtversuche bei der eigenen Bevölkerung und im Westen. Öffentlich bekanntgewordene Tote und Verletzte an der Mauer waren für die DDR mit internationaler Ächtung verbunden, wie die TU-Historiker schreiben.
Stasi suggerierte Angriffe von West-Berlinern auf die Mauer
Offensichtlich waren die DDR-Machthaber aber auf ein gutes Ansehen beim Klassenfeind bedacht. So erhielten etwa die Grenztruppen bei Abrissarbeiten 1980 von am Grenzwall liegenden Häusern in der Bernauer Strasse die strikte Anweisung, darauf zu achten, dass kein Abbruchmaterial auf westliches Territorium fällt. Zudem durfte dort an Sonn- und auch West-Berliner Feiertagen den Buchautoren zufolge nicht gearbeitet werden, um keine Spaziergänger zu stören.
Während ihres 28-jährigen Bestehens wurde die Mauer mehrfach modernisiert, aus Kostengründen jedoch nur abschnittsweise. Sie bestand zu Anfang überwiegend aus simplen Steinblöcken und Stacheldraht, später wurden vorgefertigte Betonteile aneinandergereiht. 1988 kosteten 20 der modernsten Mauersegmente aus Beton von je 1,20 Meter Breite mit 19'000 DDR-Mark etwa so viel wie ein Trabi.
Um die zivilen Planungsstellen von der Notwendigkeit der kostspieligen Modernisierung zu überzeugen, erstellte das Ministerium für Staatssicherheit (MfS) Analysen und Statistiken, die ständige Angriffe der West-Berliner auf die Mauer suggerierten. Manche dieser Dokumente waren mit Zeichnungen versehen, die Bürger aus West-Berlin als Comicfiguren zeigten, die gerade mit Hämmern oder Steinen auf die Mauer losgingen.
Flüchtende wurden mit Technik, Hunden und Schüssen gestoppt
Tatsächlich wollten die Machthaber aber vor allem die eigenen Bürger an der Flucht hindern. Seit 1957 existierte der Straftatbestand «Republikflucht» offiziell im DDR-Recht. Im Selbstversuch erprobten die Grenztruppen etwa auf dem Übungsplatz im brandenburgischen Streganz mit Stoppuhr, wie lange Einzelpersonen oder Gruppen für die Überwindung brauchen würden.
Um Flüchtende besser zu erkennen, war die Mauer stellenweise mit hellen Kontrastflächen versehen, vor denen sich Personen auch nachts deutlich abhoben. Zusätzlich gab es mit hellem Sand oder Kies bestreute Kontrollstreifen, auf denen Fussspuren besonders sichtbar wurden. Darüber hinaus sollten speziell abgerichtete Hunde, die in Abständen von je 80 bis 100 Meter im Bereich der Grenzlinie angekettet wurden, Flüchtende laut bellend von deren Vorhaben abringen.
Letztlich scheuten die Grenzsoldaten auch nicht davor zurück, das Feuer auf unbewaffnete Flüchtende zu eröffnen: Laut Zentrum für Zeithistorische Forschung in Potsdam kamen an der Mauer mindestens 136 Menschen ums Leben.
dapd/vin
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