Datenaustausch ist kein Wundermittel
Mit der Abgeltungssteuer hat die Schweiz ein intelligentes Konzept vorgelegt. Allerdings erst spät. Zu spät?

Wenn der frühere deutsche Finanzminister Peer Steinbrück wieder einmal die Kavallerie gegen den Schweizer Finanzplatz losschicken will, sollte man ihm der guten Ordnung halber zunächst die Rechtslage in Erinnerung rufen: Nach tödlichen Schüssen wird der Schütze wegen Mordes angeklagt – nicht der Waffenhändler, der ihm die Pistole verkauft hat. Gleiches gilt für ausländisches Schwarzgeld auf Schweizer Konten: Hauptschuldiger ist der Steuerhinterzieher und nicht die Bank, die ihm Beihilfe leistet oder zumindest beide Augen zudrückt.
Trotzdem ist es natürlich so, dass bei den Waffenhändlern ansetzt, wer die Mordrate senken will. Aus derselben Logik sind die Helfer der internationalen Steuerhinterzieher ins Visier geraten, darunter die Schweizer Banken. Der hiesige Finanzplatz und mit ihm die Politik haben auf den wachsenden Unmut aus dem Ausland lange gar nicht reagiert, dann mit dem – auch aus EU-internen Gründen – zahnlosen Abkommen über die Zinsbesteuerung, und schliesslich mit einem unkoordinierten Gewurstel aus rhetorischer Härte und faktischer Schwäche, aus angekündigten Verhandlungen und faktischen Kapitulationen.
Immer noch das tauglichste Modell
Nun fordert Raiffeisen-Chef Pierin Vincenz einen Ausbruch aus der schier ausweglosen Situation: Die Schweiz soll ausländischen Steuerbehörden den automatischen Informationsaustausch von Bankdaten gewähren. Er beerdigt damit die offizielle Doktrin von Politik und Finanzplatz – sprich: die anonyme Abgeltungssteuer auf ausländischem Kapital, wie sie die Schweiz mit Deutschland und Grossbritannien ausgehandelt hat.Vincenz übergeht etwas vorschnell die Vorteile der Abgeltungssteuer. Wenn es dem Finanzplatz mit der Weissgeldstrategie wirklich ernst ist, bleibt sie das tauglichste Modell. Sie wahrt die sprichwörtliche Diskretion der Schweizer Banken. Vor allem aber regelt sie sowohl die Altlasten als auch die künftige Besteuerung der Kapitalerträge. Und dies mit massgeschneiderten Lösungen für jedes Land.
Diese Anpassungsfähigkeit der Abgeltungssteuer ist gleichzeitig auch ihre Schwäche: Der Aufwand für die Banken steigt mit jedem Staat, der dazukommt. Zudem hat die Schweiz reichlich lange gebraucht, bis sie sich zu dieser Lösung durchgerungen hat. Vielleicht zu lang. In Deutschland und in der EU gibt es grosse Widerstände. Zumal die Schweiz – und vor allem die Schweizer Banken – den USA viel mehr zugestehen wollen, als sie mit der Abgeltungssteuer zu geben bereit sind. Spräche daher nicht doch fast alles für einen Strategiewechsel, wie ihn Vincenz einfordert? Auch weil der automatische Datenaustausch für die Banken einfacher zu handhaben wäre als die Abgeltungssteuer?
Es droht der gläserne Bürger
Der Datenaustausch hat präventive Wirkung, weil er potenzielle Steuerhinterzieher abschreckt. Wie effektiv er ist, ist eine andere Frage: Die Steuerbehörden würden mit einer Datenflut eingedeckt, die sie kaum bewältigen könnten. Das muss die Banken nicht stören. Problematisch für sie ist, dass der automatische Datentransfer wohl auch viele steuerehrliche Kunden abschreckt, die Wert auf ihre Privatsphäre legen.
Als illusionär dürfte sich zudem die Hoffnung erweisen, das Bankgeheimnis gegenüber dem Ausland aufheben, aber im Inland retten zu können. Bereits rumort es in den Kantonen, weil die Banken bei der erweiterten Amtshilfe ausländischen Behörden Informationen liefern, die sie dem einheimischen Fiskus vorenthalten. Das gleiche Problem stellte sich beim Informationsaustausch. Langfristig liesse sich die Gleichbehandlung ausländischer und inländischer Steuerpflichtiger kaum vermeiden. Dieser Frage nach dem gläsernen Bürger weicht Pierin Vincenz aus, indem er sie auf die Bekämpfung der «schweren, fortgesetzten Steuerhinterziehung» reduziert.
Umgehen liesse sich dieser Konflikt mit der Abgeltungssteuer, die letztlich auf der altbewährten schweizerischen Verrechnungssteuer basiert. Darum lohnt es sich trotzdem noch, für dieses Modell zu kämpfen.
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