Foto-Adventskalender, Tag 7Das Wagenrad
Ein Rad machen ist uraltes Handwerk. Der Berner Fotograf Heini Stucki zeigt, wie das geht.

Ein Foto sei ein kleiner Kosmos, sagt Stucki, in dem Kräfte, wie hell und dunkel, gegeneinander antreten. Er würde gern ein Foto machen, das alles beinhaltet, den grössten Baum und das kleinste Lebewesen. Doch nie kann man das Ganze abbilden. Jedenfalls nicht direkt. Fotografieren ist ein Einfangen von Spuren. Aus diesen Spuren lesen Betrachterinnen und Betrachter. Fesselt sie dann etwas, suchen sie darin nach Sinn und es kommt manchmal vor, dass die Bilder unvermittelt anfangen, Geschichten zu erzählen. Heini Stuckis Reportage vom Wagenrad in Ins eröffnet viele Perspektiven und erzählt ganz alte und neue Geschichten.

Das Wagenrad von Heini Stucki
«Fritz Grädel war der letzte Wagner im Dorf, der letzte Vertreter eines Handwerks, dessen Geschichte in Ins bis in die Hallstattzeit (ca. 600 v. Chr.) zurückreicht. In den keltischen Grabhügeln im Schaltenrainwald ob Ins wurde im 19. Jahrhundert ein Wagengrab entdeckt. Anhand der Überreste der Metallbeschläge der Nabe, der Speichen und der Reifen der alten Räder kann man feststellen, dass die Wagnerei fast 2500 Jahre lang nach einer unveränderten Technik betrieben wurde.»

«Nicht weit von Ins, im Bielersee bei Vinelz, fanden Archäologen eines der ältesten Räder der Welt, ein Scheibenrad aus der Jungsteinzeit (ca. 2800 v. Chr.). Es ist fast doppelt so alt wie das Rad aus dem Hügelgrab. Das Radmachen hat in unserer Gegend also einen langen Weg hinter sich. Es ist eindrücklich, sich eine Ahnenreihe von Fritz Grädels Berufskollegen vorzustellen. Eine lange Reihe von Gesichtern, Händen, Werkstätten und Schicksalen.»





«Auch ihre Kollegen, die Schmiede gehören dazu, das glühende Eisen, Feuer, Rauch und Russ, das helle Klingen des Hammers, der das Eisen auf dem Amboss schlägt. Begleitet von dieser Musik rollte das Rad der Zeit, Weltreiche entstanden und zerfielen zu Staub, Krieg- und Friedenszeiten im endlosen Wechsel, Religionen, Kulturen, Moden – ein blutiges und buntes Getümmel durch Raum und Zeit.
In den Werkstätten von Fritz Grädel und der Schmiedefamilie Weber war dieser Zeitenabgrund spürbar und dennoch war man fest in der Gegenwart verankert, dank dem dort noch lebendigen Handwerk.»





Der Text «Das Wagenrad» und die Fotos sind publiziert im Buch: Ins – Es war einmal ein Dorf;
Verlag: Herausgeber.ch; 2009.
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