«Das Viererfeld käme für uns infrage»
Die Eisenbahner-Baugenossenschaft feiert heuer ihr 100-jähriges Bestehen – und will in Zukunft weiter wachsen. Sie möchte den Anteil der gemeinnützigen Wohnungen erhöhen, sagt Präsident Rudolf Wachter.

Herr Wachter, wie viele Bähnler wohnen heute noch in einer Wohnung der Eisenbahner-Baugenossenschaft?
Rudolf Wachter: Es sind sicher über 50 Prozent unserer Mieterinnen und Mieter. Aber den klassischen Eisenbahner gibt es heute nicht mehr in grossem Ausmass. Die SBB beschäftigen weniger Personal als früher, die einzelnen Bahnhöfe sind auch nicht mehr bedient. Bis vor ein paar Jahren hatten Bahnangestellte für uns oberste Priorität. Punkto Zielpublikum haben wir uns aber geöffnet. In unseren Wohnungen leben heute vor allem Leute, die im öffentlichen Bereich tätig sind, etwa in einem Spital, in der Verwaltung oder bei Verkehrsunternehmungen.

Spielt das Einkommen eine Rolle, ob jemand in eine Genossenschaftswohnung ziehen kann?
Wir unterscheiden uns vom sozialen Wohnungsbau der Stadt Bern, wo es vor allem darum geht, Wohnraum für Bedürftige zu schaffen. Gemeinnützig sind wir in dem Sinn, dass wir keine Gewinne erzielen. Wir streben eine gute Durchmischung an. Es ist nicht so, dass wir nur das tiefste Segment abdecken, in unseren Wohnungen leben auch Leute aus dem sogenannten Mittelstand. Auch für diese ist es zunehmend schwierig, in der Stadt eine bezahlbare Familienwohnung zu finden.
«Für eine Wohnung im Weissensteinquartier haben wir eine Warteliste mit 100 Personen.»
Sind alle Ihre 681 Wohnungen in den sechs Siedlungen vermietet?
Ja, das ist ein Glück. Die Nachfrage in den einzelnen Siedlungen ist unterschiedlich. Für eine Wohnung etwa im Weissensteinquartier haben wir eine Warteliste mit hundert Parteien. Es interessieren sich noch mehr, aber wir nehmen derzeit niemanden mehr auf die Liste. In anderen Siedlungen der EBG ist es einfacher, eine Wohnung zu bekommen.
Im Warmbächli entsteht die Wohnsiedlung Holliger, an der sich sechs Baugenossenschaften beteiligen. Sie sind mit einem Hochhaus vertreten. Wie teuer werden die Wohnungen dort sein?
Wenn wir neu bauen, kommt es nicht günstiger. Aber: Der Baurechtszins ist für uns als gemeinnützige Genossenschaft tiefer. Mit dem Ausbaustandard und dem Flächenverbrauch können wir die Kosten ein wenig senken; so werden auch die Wohnungen günstiger. Die Kostenmieten werden von der Stadt als Baurechtgeber vorgegeben, und das Bundesamt für Wohnungswesen gibt vor, wie viel eine Wohnung dort kosten darf. Die grösseren kosten anfangs vielleicht trotzdem über 2000 Franken Miete. Günstiges Wohnen kommt mit der Zeit, anfangs waren die Häuser im Weissenstein auch für einige Leute teuer. Wenn man aber keine Rendite abschöpft, werden die Zinse mit der Zeit günstiger.
Fördert eine Überbauung wie die Siedlung Holliger nicht die Gentrifizierung?
Nicht wegen der Mietzinse, diese werden nicht zu teuer sein. Die Gentrifizierung könnte aber gefördert werden, wenn die sechs gemeinnützigen Wohnbauträger attraktive Aussenräume schaffen, wenn es beispielsweise Restaurants gibt und die Infrastruktur auf das heute einfache Quartier ausstrahlt und dieses aufwertet. Die privaten Haus- und Wohnungsvermieter könnten diesen Effekt ausnutzen und quasi mitsurfen.
Sind Baugenossenschaften ein Mittel gegen die Spekulation?
Ja, das kann man so sagen.
Stadtpräsident Alec von Graffenried sagt in der Festschrift zum 100-Jahr-Jubiläum der EBG, die Stadt würde es begrüssen, wenn auf dem Viererfeld ein Projekt von Ihnen entstünde. Planen Sie dort?
Das Viererfeld ist ein Ort, der für uns infrage käme. Konkret ist noch nichts geplant, da ist noch nichts spruchreif.
Haben Sie andernorts konkrete Pläne?
Wir sind daran interessiert, den Anteil der gemeinnützigen Wohnungen zu erhöhen. Wir schauen uns im Umkreis von Bern um. Das Gaswerkareal wird möglicherweise ein Thema, da ist aber noch nichts Näheres bekannt. Generell gilt für uns die Voraussetzung, dass Bauland der Stadt Bern oder der Bernburger abgegeben wird. Auf dem freien Markt können wir nicht mitbieten, das geht an Investoren. Und wir können auch nicht einfach Wohnungen produzieren, die wir nicht vermieten können.
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