Freiwillige flicken in Langenthal«Das Repair-Café ist ein Tropfen auf den heissen Stein»
Nach Corona-bedingter Pause findet am Samstag erstmals wieder ein Repair-Café statt. Organisatorin Nicole Baumann liegt das Angebot am Herzen.

Ihr Anliegen ist ein einfaches und doch ein so komplexes: Nicole Baumann will den Konsumverschleiss reduzieren. «Elektrogeräte werden viel zu oft und zu schnell weggeworfen, obwohl man sie manchmal mit wenig Aufwand reparieren könnte», sagt sie.
Eindrücklich werde die Wegwerfmentalität im Film «Welcome to Sodom» gezeigt, der Menschen auf einer Elektromüllhalde in Ghana dokumentiere. Das Repair-Café möchte den Film in Zusammenarbeit mit dem Chrämerhuus Anfang nächsten Jahres im Kino Scala ausstrahlen.
Anfang 2019 übernahm Nicole Baumann die Leitung des Repair-Cafés in Langenthal, jener Institution, bei der sich mehrmals im Jahr kaputte Gegenstände reparieren lassen. Bereits bei der Gründung des Angebots vor vier Jahren war Nicole Baumann als Helferin mit dabei. «Ich kann zwar nicht flicken, habe aber trotzdem dort geholfen, wo ich konnte», sagt sie.
Spezialisten stehen bereit
Früher fand das Repair-Café noch auf dem Porziareal statt, mittlerweile ist es in der Alten Mühle. Wobei, allzu oft wurde der Anlass in letzter Zeit Corona-bedingt gar nicht organisiert. Am Samstag nun lädt Nicole Baumann zwischen 8.30 und 13.30 Uhr erstmals wieder die Bevölkerung dazu ein, ihre kaputten Kleider, Elektrogeräte oder Spielsachen vorbeizubringen.
«Es sind alles richtige Tüftlerinnen und Tüftler.»
Sieben Freiwillige werden sich vor Ort um die Gegenstände kümmern. Darunter ein IT-Spezialist, ein Elektriker, ein Ingenieur und jemand, der die Nähmaschine beherrscht. «Es sind alles richtige Tüftlerinnen und Tüftler», sagt Nicole Baumann und lacht. Auch ihnen gehe es darum, die Lebensdauer von Produkten zu verlängern.
Grundsätzlich soll das Repair-Café drei- bis viermal im Jahr stattfinden – heuer gilt aufgrund der Pandemie mit Zertifikatspflicht. Deshalb sei das Besucheraufkommen schwierig abzuschätzen, urteilt die Organisatorin. In der Vergangenheit hätten die Freiwilligen an einem Tag jeweils zwischen 50 und 80 Gegenstände flicken können.

Das Angebot finanziert sich durch Spenden und Kollekte – das Flicken der Gegenstände ist kostenlos. Nicole Baumann wünscht sich dereinst einen fixen Standort für ihr Repair-Café. «Aber das ist Zukunftsmusik», sagt sie.
Auch andernorts im Oberaargau, in Herzogenbuchsee, gibt es neu ein solches Angebot, ein erster Aktionstag fand im September statt. Dem dortigen Team ist Nicole Baumann mit Ratschlägen zur Seite gestanden. «Alle Repair-Cafés sind untereinander eng vernetzt.»
Die Organisatorin möchte die Botschaft für das Flicken und gegen das Wegwerfen stärker unter die Leute bringen. Illusionen macht sich sie sich derweil keine: «Das Repair-Café ist ein Tropfen auf den heissen Stein.» Zumindest in einem nationalen oder gar globalen Kontext. Nicole Baumann fügt aber sogleich an: «Es ist besser als nichts.»
Julian Perrenoud ist Redaktor und Textchef in Langenthal. Er beschäftigt sich mit der Digitalisierung im Journalismus und legt den Fokus seiner Berichterstattung auf die Region Oberaargau sowie die Themen Politik, Wirtschaft und Energie.
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