Das Münsinger Schleuderparlament
In Münsingen kommt es in der Gemeindepolitik häufig zu Wechseln. Woran liegt das?

Elisabeth Striffeler ist Nummer 10. Die SP-Frau tritt auf Ende Jahr aus dem Münsinger Parlament aus. Urs Strahm ist Nummer 11. Der SVP-Mann tritt Ende Januar aus dem Münsinger Parlament aus. Mehr als ein Drittel des 30-köpfigen Parlaments wurde seit Anfang 2017 ausgewechselt. Und es ist erst Halbzeit in der Legislatur.
Für die Statistik: Bei der SVP verliessen bisher 3 von 7 Personen das Parlament, bei EVP und FDP 2 von 4, bei den Grünen 2 von 6, bei der GLP 1 von 2 und bei der SP 1 von 6. Nur die EDU-Einfrauvertretung ist noch die gleiche wie Anfang 2018.
Rücktritte ausserhalb der ordentlichen Wahlen gab es schon immer. In der letzten Legislatur von 2014 bis 2017 waren es sieben – lange nicht so viele wie jetzt. Die beiden jüngsten Wechsel fallen auch deshalb auf, weil beide Personen in Münsingen bekannt und ihre Partei schon seit Jahren im Parlament vertreten sind: Striffeler seit zehn, Strahm gar seit dreizehn Jahren.
Vergeblicher Appell
Dabei hatte dem Parlament einer der Ihren kürzlich noch ins Gewissen geredet – offensichtlich vergebens. Heinz Malli, dem Parteilosen in der SP-Fraktion, waren die «extrem vielen Wechsel» in der Münsinger Legislative aufgefallen. In der Septembersitzung appellierte er an seine Kolleginnen und Kollegen: «Bitte achtet bei den nächsten Wahlen darauf und setzt Leute ein, welche hier etwas bewirken wollen, solche, die sich engagieren, mitmachen, Lust am Politisieren haben», sagte er. «Und nicht solche, die vielleicht viele Stimmen geben oder mit denen ihr irgendjemanden beglückt.»
«Es bringt ja doch nichts. Ich finde in Münsingen kein Gehör für meine Anliegen.»
Er sagte es zwar nicht, aber er meinte damals den bekannten Alt-Nationalrat Simon Schenk (SVP), der nach vier Sitzungen zurücktrat, dafür allerdings gesundheitliche Gründe angab. Nebenbei: Bei den Wahlen 2017 hatte er ein zwar gutes, aber auch kein überragendes Ergebnis erzielt.
Nicht viel länger hielten es Marc Bürki (FDP), Annj Harder (Grüne) und Helena Denkinger (GLP) aus. Für sie war nach einem Jahr Schluss. Das gilt auch für Susanne Bähler (SVP), die allerdings für Reto Gertsch in den Gemeinderat nachrutschte. Dieses Jahr kamen nun nochmals fünf Rücktritte hinzu – und nächstes Jahr wie erwähnt Strahm.
Problem Listenfüller
Woran liegt das? «Die vielen Listenfüller sind ein Problem», sagt Mahner Heinz Malli und findet: «Wer sich aufstellen lässt und gewählt wird, verpflichtet sich gegenüber der Wählerschaft.» Alles andere sei Wahltaktik. Das Amt im Parlament sei ein wichtiger Job. Oder, wie er es im September sagte: «Wir haben die Möglichkeit, zu bestimmen, in welche Richtung Münsingen geht. Links, rechts, geradeaus – oder die Gemeinde bleibt stehen.»
Der zurücktretende Urs Strahm ist mit Malli einer Meinung. «Es kann nicht sein, dass jemand nach drei oder vier Sitzungen schon zurücktritt.» Er selbst steht mit seinen dreizehn Jahren Parlamentszugehörigkeit nicht in diesem Verdacht. Im Gegenteil, eigentlich hat er die Amtszeitbeschränkung von drei Legislaturen bereits überschritten. Da er mitten in einer Amtszeit nachrutschte, werden ihm diese Jahre aber nicht angerechnet.
«Es kann nicht sein, dass jemand nach drei oder vier Sitzungen schon zurücktritt.»
Nun aber findet er persönlich, dass es Zeit für jemand Jüngeres sei. Peter Wymann heisst sein Nachfolger. Der sei motiviert, «für ihn ist das eine gute Sache», und es sei auch nicht gedacht, dass Wymann nach ein paar Sitzungen bereits wieder aufhöre. «Er weiss, was zu tun ist», sagt Strahm.
Bei Elisabeth Striffeler führte eine Enttäuschung zum Rücktritt. Sie hatte erfolglos dafür gekämpft, dass Senioren den Ortsbus gratis benützen können. Nicht einmal in ihrer Partei hatte sie die volle Unterstützung erhalten. «Es bringt ja doch nichts», sagte sie. Sie finde in Münsingen kein Gehör für ihre Anliegen. Nun kann sie sich auf ihre Rolle als SP-Fraktionspräsidentin im Grossen Rat konzentrieren. Im Münsinger Parlament heisst ihre Nachfolgerin Antoinette Rast.
Eigendynamik leidet
«Wir können niemanden zum Glück zwingen», sagt Gemeindepräsident Beat Moser (Grüne). Er verstehe aber schon, dass sich die berufliche Situation ändern könne und man sich dann neu organisieren müsse.
Für die Parteien sei es herausfordernd, für Kontinuität zu sorgen. Sie seien zwar durchaus mitgliederstark. «Aber die Leute, die sich wirklich engagieren und an vorderster Front mitmachen, sind doch dünn gesät.» Man sei zwar schnell bereit, mitzuhelfen. Aber wenn es um ein langfristiges und verbindliches Engagement gehe, sehe es häufig rasch wieder anders aus.
Womöglich fehle es manchmal an Brisanz, sagt Moser. Denn heute würden die Parteien von der Gemeinde gut eingebunden, etwa bei den regelmässigen Blumenhausgesprächen, und die Parlamentsmitglieder erhalten vor den Sitzungen ebenfalls Informationen von der Gemeinde. «Das kommt sehr gut an und hat zu einer Versachlichung beigetragen.» Darunter leide dann aber die Eigendynamik des Parlaments.
Wenigstens ist in den Sitzreihen des Parlaments für Dynamik gesorgt.
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