Das Megaprojekt in Oberaargaus Norden
Es ist die grösste angestrebte Gemeindehochzeit in der Geschichte des Kantons. Am Samstag geht die Mitwirkung zum Grundlagenbericht zu Ende. Hier die Antworten auf neun wichtige Fragen zur Grossfusion.

1. Wieso wird eine Fusion innerhalb dieses Perimeters angestrebt?
Das Gebiet umfasst die elf Einwohnergemeinden des ehemaligen Amtes Wangen-Nord: Attiswil, Farnern, Niederbipp, Oberbipp, Rumisberg, Walliswil bei Niederbipp, Walliswil bei Wangen, Wangen an der Aare, Wangenried, Wiedlisbach und Wolfisberg. Die Gemeinden der heutigen Subregion Oberaargau Nord arbeiten bereits seit Jahren in verschiedenen Bereichen eng zusammen. Beispiele hierfür sind die Konferenz der Gemeindepräsidenten, der regionale Sozialdienst oder der Gemeindeverband Alterszentrum Jurablick.
Die Interkommunale Arbeitsgruppe (IKA) hat sich zum Ziel gesetzt, sich nicht in Alternativszenarien zu verzetteln. Deshalb entschied sie sich gegen Abklärungen ausserhalb des Gesamtperimeters. Nur mit einer Gemeinde einer gewissen Grösse könnten die stets steigenden Vorgaben seitens des Kantons erfüllt werden.
Skeptiker indes finden, hier werde mit zu grosser Kelle angerichtet. Das wurde an den Informationsveranstaltungen in den einzelnen Gemeinden deutlich.
2. Was passiert, wenn sich eine Gemeinde gegen eine Fusion entscheidet?
Die Fusion wird nur mit jenen Gemeinden weiterverfolgt, in denen die Mehrheit am 24. September für den Zusammenschluss votiert. Die neue Gemeinde muss eine Mindestgrösse von 11'000 Einwohnerinnen und Einwohnern haben, damit die Fusion überhaupt weiterverfolgt wird. Der Grund: Bei einer geringeren Zahl würden wesentliche Aussagen zur Struktur und Funktionsweise der neuen Gemeinde im Grundlagenbericht nicht mehr zutreffen.
Hier nimmt Niederbipp mit seinen 4700 Einwohnern eine besondere Rolle ein: Lehnt die Mehrheit der Niederbipper Stimmberechtigten die Gemeindehochzeit ab, fällt das Grossprojekt ins Wasser.
3. Wie bringen sich die einzelnen Gemeinden und ihre Einwohner ein?
Die fusionierte Gemeinde wird von einem Präsidenten im Vollamt geführt. Er ist Teil eines siebenköpfigen Gemeinderats. An die Stelle der Gemeindeversammlungen tritt ein Parlament mit dreissig Mitgliedern.
Parlament und Gemeinderat wählen die Stimmberechtigten an der Urne. So stimmen sie auch über Geschäfte ab, die in ihrer Zuständigkeit liegen. Über Initiativen und fakultative Volksabstimmungen können die Bürgerinnen und Bürger der Grossgemeinde direkt Einfluss auf politische Entscheidungen nehmen.
4. Was sind die Folgen der neuen politischen Strukturen?
Die neuen Strukturen führen dazu, dass die Gemeinde innerhalb des Kantons und insbesondere auch im Oberaargau an Gewicht und Einfluss gewinnt.
Gleichzeitig ist die neue politische Struktur jedoch mit einem Autonomieverlust der einzelnen Gemeinden verbunden. So räumt die IKA in ihrem Grundlagenbericht ein, dass die kleineren Ortsteile womöglich Mühe haben werden, politische Anliegen durchzubringen, die nur sie betreffen. Diesbezüglich äusserten auch Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Infoanlässe Bedenken.
5. Werden bei der Grossfusion auch Kosten eingespart?
Die geplante Fusion ist keine Sparübung, das betonten die Verantwortlichen an den Informationsveranstaltungen. Die neue Gemeinde kann ihre Aufgaben nicht zu günstigeren, aber besseren Bedingungen erfüllen. In einzelnen Bereichen können zwar dank der neuen Gemeindegrösse Einsparungen gemacht werden: etwa bei den Werkhöfen und den Verwaltungsgebäuden, da diese auf die beiden Standorte Wangen und Niederbipp konzentriert werden.
Allerdings werden andere Bereiche höhere Ausgaben verursachen. Vor allem die professionalisierte politische Struktur wird zusätzlich kosten. Auch rechnet die Arbeitsgruppe mit steigenden Erwartungen der Bürger gegenüber der grossen Gemeinde. Mehr und verbesserte Angebote werden entsprechend höhere Ausgaben zur Folge haben.
6. Wie hoch fällt der Steuersatz der neuen Grossgemeinde aus?
Die Steuererträge müssen künftig gleich hoch ausfallen wie heute. Die Steueranlage der neuen Gemeinde wird zwischen 1,5 und 1,6 Einheiten liegen. Ein Knackpunkt, denn für die Einwohner der Gemeinden Niederbipp, Oberbipp und Walliswil bei Niederbipp hat die Fusion eine Steuererhöhung zur Folge.
7. Wie werden die Gebühren unter den Ortschaften vereinheitlicht?
Sehr unterschiedlich fallen die Gebühren heute für die Ver- und Entsorgung aus. Sie müssen über neue Reglemente harmonisiert werden. Davon ausgenommen ist die Stromversorgung: Mit Ausnahme der Ortschaft Niederbipp soll weiterhin die AEK Onyx AG als Grundversorgerin und Netzbetreiberin die Haushalte speisen. Niederbipp wird seine eigene Stromversorgung behalten. Die Einwohner des Ortsteils Niederbipp werden deshalb wesentlich tiefere Stromgebühren bezahlen als der Rest der Gemeinde.
8. Welche Bereiche sind nicht von einem Zusammenschluss betroffen?
Die heutigen Gemeindenamen werden als Ortschaften in der fusionierten Gemeinde beibehalten. Auch die Postadressen bleiben gleich. Gleichzeitig hat das neue Konstrukt keinen Einfluss auf die Struktur der Burger- und Kirchgemeinden.
9. Unter welchen Umständen droht einer Gemeinde die Zwangsfusion?
Der Grosse Rat des Kantons Bern kann in zwei gesetzlich klar definierten Fällen eine Fusion auch gegen den Willen der betroffenen Gemeinden anordnen. Dies einerseits, wenn eine Gemeinde auf Dauer nicht mehr leistungsfähig ist, also zum Beispiel ihre Behördensitze nicht mehr besetzen oder essenzielle Aufgaben nicht mehr wahrnehmen kann.
Andererseits kann die Fusion einer nicht fusionswilligen Gemeinde durchgesetzt werden, wenn sich in einem Fusionsprojekt die Mehrheit aller Gemeinden und der Stimmenden für den Zusammenschluss aussprechen. Laut Rolf Widmer, Vorsteher der Abteilung Gemeinden des Amtes für Gemeinden und Raumordnung, ist die Situation im Fall des Fusionsprojekts Oberaargau Nord aufgrund des Quorums von 11'000 Einwohnern jedoch sehr komplex.
Unabhängig vom Abstimmungsergebnis im September werde der Kanton die Konstellation der weiterhin beteiligten Gemeinden analysieren, so Widmer. Wenn eine Gemeinde den Zusammenschluss ablehnt, könnte ihr der Kanton also dennoch nahelegen, den Entscheid zu überdenken.
Vor einer Zwangsfusion – die übrigens im Kanton Bern noch nie zur Anwendung gekommen ist – würden jedoch mildere Massnahmen geprüft. So kann der Kanton etwa mit einer Kürzung der Leistungen aus dem Finanz- und Lastenausgleich drohen, wenn eine Gemeinde nach einer Fusion weniger Leistungen beanspruchen würde.
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