Das Italien-Chaos und die Prognosen der Ökonomen
Wie geht es weiter an den Finanzmärkten? Strategen der Banken und Experten nehmen Stellung.

Gleichzeitig machen sie aber klar, dass sich Investoren in den kommenden Monaten auf grössere Schwankungen einstellen müssen. Gerade die Schweiz dürfte zudem durch den Franken als wiederentdeckter sicherer Hafen diese Volatilität besonders deutlich spüren.
Anhalten dürfte die erhöhte Schwankungsbreite auf jeden Fall bis zu den möglichen Neuwahlen in Italien, von denen die Mehrzahl der von der Finanznachrichtenagentur AWP befragten Strategen und Ökonomen ausgehen.
Und auch danach werde die weitere Entwicklung stark von der Regierung abhängen, die dann das Zepter in der Hand haben wird, erklärt Florian Weber, Stratege im Bereich festverzinsliche Anlagen bei der Bank J. Safra Sarasin.
Chefstratege Anastassios Frangulidis von Pictet Asset Management geht davon aus, dass die rechte Lega bei den nächsten Wahlen stärker wird. Als regierende Partei dürfte sie dann versuchen, Verhandlungen mit den Europäern über die fiskalische Lage aufzunehmen.
Kein Interesse an Eskalation
Selbst wenn nach den Neuwahlen die europakritischen Parteien regieren sollten, haben weder Italien noch die anderen Mitglieder der Eurozone irgendein Interesse an einer Eskalation, sagt Martin Weder, Senior Economist bei der Zürcher Kantonalbank.
Vielmehr zeigt sich Weder etwas überrascht von der jüngsten Marktreaktion. Immerhin hätten die Finanzmärkte auf den Koalitionsvertrag zwischen der Fünf-Sterne-Bewegung und der Lega Nord zunächst kaum reagiert.
Dagegen seien die Bewegungen auf die gescheiterte Regierungsbildung markant ausgefallen. «Fundamental hat sich jedoch noch nichts geändert.»
Der Ökonom Alessandro Bee von der Grossbank UBS hält vor allem den Ausverkauf am italienischen Anleihenmarkt für übertrieben. Hier spiele offenbar die Angst mit, dass Italien letztendlich die Eurozone verlassen werde.
Vor allem am Dienstag war es zu deutlichen Verwerfungen am italienischen Anleihemarkt gekommen. So war die Rendite auf italienische Anleihen mit einer Laufzeit von 10 Jahren erstmals seit 2014 über drei Prozent gestiegen.
Noch stärker war der Zinsanstieg bei zweijährigen Anleihen. Hier schossen die Zinsen allein am Dienstag um fast zwei Prozentpunkte hoch auf bis zu 2,83 Prozent und damit auf den höchsten Stand seit dem Euro-Krisenjahr 2012.
Hohe Kosten werden Italienern Augen öffnen
Ein sehr genaues Szenario für die kommenden Monate hat Caroline Hilb von der St. Galler Kantonalbank aufgezeichnet. Die Leiterin Anlagestrategie und Analyse geht davon aus, dass die Turbulenzen und Unsicherheit an den Märkten anhalten werden.
Dies dürfte zu Kapitalabflüssen aus Italien führen, was wiederum die Banken dort stark unter Druck setzen werde. «Es kommt zu Kapitalverkehrskontrollen und sie werden den Zugang zu Bargeld beschränken (wie in Griechenland 2015)».
Dies wiederum werde den Italienern «die Augen öffnen» und für Druck sorgen, da die extrem hohen kurzfristigen Kosten sichtbar werden. «Die Italiener werden aufgrund dessen keinen Euro-Ausstieg mehr forcieren». Daher gehe sie davon aus, dass sich die Wogen glätten, und Italien nicht aus dem Euro aussteigen wird.
Gleichzeitig betont die Expertin, dass der Erhalt der Kapitalmarktfähigkeit des Landes enorm wichtig sei. Denn anders als Griechenland könnte Italien aufgrund seiner Grösse nicht gerettet werden.
Für Hilb ebenso wie für Janwillem Acket von Julius Bär wird in den nächsten Monaten vor allem der Devisenmarkt der entscheidende Seismograph für die Stimmung der Investoren sein. So betont Chefökonom Acket, dass der Franken seine Rolle als sicherer Hafen wieder bekommen hat. Dies werde sich so lange fortsetzen, wie die Sorgen über einen möglichen Zusammenbruch der Eurozone genährt würden.
SDA
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