Das Gutachter-Geschütz für Kachelmann
Im Vergewaltigungsprozess gegen Jörg Kachelmann spielen Wissenschaftler eine entscheidende Rolle. Nach Rückschlägen kämpft die Verteidigung mit fünf Gutachtern.
Mit der Befragung von Sabine W. geht der Kachelmann-Prozess in eine entscheidende Phase. Die Verteidigung des TV-Wettermoderators hat nun ihre Gutachter-Phalanx verstärkt, um die zu erwartenden belastenden Schilderungen der früheren Geliebten des 52-jährigen Angeklagten zu widerlegen. Zuletzt hatte das Landgericht Mannheim den Rechtsmediziner Bernd Brinkmann wegen Befangenheit abgelehnt. Aus dem gleichen Grund zog die Verteidigung den Psychiater Tilman Elliger zurück.
Wie am gestrigen Prozesstag bekannt geworden ist, zählt die Verteidigung neu auf die Dienste des DNA-Spezialisten Steven Paul Rand und des Rechtsmediziners Klaus Püschel. Laut Kachelmann-Anwalt Reinhard Birkenstock soll Rand belegen, dass auf dem Tomatenmesser, das Kachelmann seiner damaligen Geliebten bei der angeblichen Vergewaltigung an den Hals gehalten haben soll, keine beweiskräftigen Spuren des Angeklagten sind. Die DNA-Spuren könnten auch durch sogenannte Sekundärübertragung an das Tomatenmesser gekommen sein, etwa durch Hautschuppen, die sich auf dem Bett oder an Kleidungsstücken befanden.
Experte vertritt These der Selbstverletzungen
Ausserdem soll der DNA-Spezialist zeigen, dass die Sekret- und Spermaspuren auf der Bettdecke nicht durch den von Sabine W. geschilderten erzwungenen Geschlechtsverkehr entstanden sein können. Gemäss Birkenstock stützt das Spurenbild auf dem Bettlaken vielmehr die Darstellung Kachelmanns «eines einvernehmlichen variantenreichen Geschlechtskontakts».
Im Weiteren soll der Rechtsmediziner Klaus Püschel unter anderem begründen, warum die dokumentierten Wunden von Sabine W. auf «Selbstverletzungen zurückzuführen» sind. Diese These vertritt auch der renommierte Rechtsmediziner Bernd Brinkmann, der inzwischen vom Mannheimer Gericht als Gutachter ausgeladen wurde. Tatsache ist, dass beim mutmasslichen Vergewaltigungsopfer Verletzungen an Hals und Oberschenkeln medizinisch festgestellt wurden.
Streit um Interpretation von Greuel-Gutachten
Im Fall Kachelmann sind nicht nur die in der Wohnung von Sabine W. gesicherten Spuren umstritten. Es gibt sogar Streit um die Interpretation eines wichtigen Gutachtens. Die Stellungnahme der Bremer Professorin Luise Greuel war bereits vor dem Prozess in den Medien breit zitiert worden. Danach wertet die bekannte Aussagepsychologin die Angaben der Ex-Freundin als schwer lückenhaft. Dieses Gutachten nannte die Verteidigung als klaren Beleg für die Falschbezichtigung Kachelmanns durch die Frau. Die Staatsanwaltschaft zieht dagegen ganz andere Schlüsse aus dem Gutachten. Inzwischen benannten die Kachelmann-Verteidiger einen weiteren Gutachter, der die Fehlinterpretation des Greuel-Gutachtens durch die Staatsanwaltschaft beweisen soll. Die Gutachterin selbst ist im Prozess anwesend.
Der Prozess wird morgen Mittwoch fortgesetzt. Sabine W. wird erneut im Zeugenstand sitzen und unter Ausschluss der Öffentlichkeit über die mutmassliche Tatnacht am 9. Februar 2010 erzählen. Da Aussage gegen Aussage steht, hat die Glaubhaftigkeit der Angaben der Ex-Freundin Kachelmanns zentrale Bedeutung. Das Gericht hat vier Experten aufgeboten, die das Aussageverhalten von Sabine W. beobachten und beurteilen sollen. Gemäss Prozessbeobachtern wird die Aussage der 37-jährigen Frau offensichtlich länger dauern als ursprünglich geplant. Selbst ob noch in diesem Jahr ein Urteil ergeht, ist offen. Bisher sind Verhandlungstage bis am 21. Dezember angesetzt.
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