Das Finale, diese fixe Idee
Nach Jahren der Abwesenheit will die Schweiz das Finale des Eurovision Song Contest erreichen. Zu bezweifeln ist nur, dass es mit dem Song des Geschwisterpaars Zibbz gelingen wird.
«Stones» von Zibbz war fraglos der beste Song an diesem Abend, mit einem Refrain der hängen bleibt und in dem die Sängerin Co gegen Mobbing im Internet ansingt. Doch was heisst das schon, im Vergleich zu der restlichen Dutzendware, gegen die sich das Geschwisterpaar durchsetzte? Gegen Songs, denen man die Anstrengung, ja niemanden vor den Kopf zu stossen, anhören konnte? Wie viel Wert ein Song wie «Stones» wirklich hat, wird man so erst am 8. Mai hören können, wenn Zibbz versuchen werden, das Finale, diese fixe Idee, wieder einmal zu erreichen.
Ein Refrain der hängen bleibt: Zibbz mit «Stones».
Das Finale des Eurovision Song Contest, des «grössten Musikwettbewerbs der Welt», wie Moderator Sven Epiney an diesem Abend im Studio 1 im Leutschenbach immer wieder betonte, ist nach Jahren der Schweizer Abwesenheit schon fast ein Sehnsuchtsort. Denn: «Es ist höchste Zeit, das Ding wieder mal zu rocken», so Epiney. Und da durfte im Vorfeld der Entscheidung nicht viel dem Zufall überlassen werden: Man organisierte ein Songwriting Camp, in dem Songwriter und Produzenten Lieder bastelten und zusammenmontierten. Die Stimmen und Köpfe, die die Songs vortragen sollten: die wählte man erst später aus.
Beispielsweise Angie Ott aus Neuenburg, die mit Leib und Seele Coiffeuse ist, wie sie im Bewerbungsfilm erzählte, und mit «A Thousand Times» eine dieser ESC-Powerballaden ins Rennen schickte, wie sie die Welt nicht mehr braucht – und vielleicht auch nie gebraucht hat. Oder die schon fast bedauernswerte Chiara Dubey, die bereits zum dritten Mal in einer derartigen Entscheidungsshow dabei war, sich im TV-Studio «wie zu Hause fühlte» und dann natürlich einmal mehr chancenlos geblieben ist.
Oder der ehemalige Strassenmusiker Naeman, der das «Gesamtpaket» anbieten wollte, das bei ihm spektakulärerweise aus Musik und Tanz bestand. Doch wer einen blassen Popsong wie «Kiss Me» noch blasser vorträgt, den können auch 21'700 Instagram-Fans und 20'580 Facebook-Follower nicht retten. So war denn auch nur allzu verständlich, dass sich Co-Moderator Stefan Büsser im Backstagebereich, der den «Friends & Families» der Kandidaten und Kandidatinnen vorbehalten war, «wie an einer Miss-Wahl» fühlte und schon fast aus Verzweiflung in ein Stück Ingwer biss.
Und weil das alles so provinziell anmutete, liess man noch ein bisschen ESC-Historie aufleben: Man sah in einem Einspieler Acts wie Abba oder Guildo Horn, die mit ihren Wettbewerbsliedern dann auch in der Schweizer Hitparade landeten, weil die Charts «eine grossartige Sache» sind. Die Zuschauer sahen nochmals «unvergessliche Eurovision-Momente» des letztjährigen Vertreters Timebelle, deren Reise im Halbfinal dann doch ein jähes Ende fand. Und die Sängerin Leticia Carvalho und die Appenzeller Sängerfreunde grüssten Salvador Sobral – den schwer kranken Sieger des letzten ESC – mit einer hanebüchenen Coverversion seines zu Herzen gehenden Gewinnerliedes.
Sven Epiney und Stefan Büsser telefonierten dann noch nach Deutschland, nach Albanien, nach Italien, Frankreich, Israel, Armenien und auch Island durch, liessen sich die Punkte von den internationalen Jurys durchgeben, atmeten vor lauter Spannung nochmals tief durch und verkündeten dann noch das Resultat des TV-Votings. Was nun die Sieger auf ihrer Reise an den Eurovision Song Contest in Lissabon aber beachten sollten? «Viel schlafen, duräschnufä und gniessä», sagte ein Timebelle-Mitglied. So, wie das nun mal ist, wenn man das «Ding wieder mal rocken» sollte.
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