Das Ende einer langen Geschichte
Heute Montag vor 25 Jahren war rund um den Thunersee ein Riesenfest im Gang: Nach mehr als 20 Jahren unermüdlichen Kämpfens einiger Enthusiasten lief das Dampfschiff Blümlisalp zur 2. Jungfernfahrt aus.
Sie ist eine lebende Legende. Für Schifffahrtsfans, für die BLS-Schifffahrt auf dem Thunersee, für die Region Thun und für Dampferfans im In- und Ausland sowieso: die «Blüemlere», wie das Dampfschiff Blümlisalp seit Menschengedenken liebevoll genannt wird – oder zumindest seit sie 1906 in der eigens für sie erstellten Werfthalle in Thun gebaut wurde.
Vom ersten Tag an, an dem sie über den See glitt, eilte ihr der Ruf der Grazie voraus. Eleganz ist auch heute noch ihr zweiter Vorname; ja so scheint es, dass die alte Dame der Thunerseeschifffahrt sich heute schöner denn je präsentiert. Der neuzeitliche Anblick mit der zarten weissen Dampffahne, die aus dem Schornstein emporsteigt, ist auf jeden Fall kein Vergleich zu den Fotos von einst, auf denen eine dichte Wolke schwarzen Rauchs in hartem Kontrast zum dezent-eleganten weissen Schanzkleid des Dampfers steht.
Vielleicht sind auch die düsteren Zeiten, welche das Flaggschiff der BLS-Flotte einst gesehen hat,mit ein Grund, warum es heute schöner und erhabener strahlt denn je. Denn die «Blüemlere» ist eine Kämpferin. 1971 stillgelegt auf dem nautischen Abstellgleis des Kanderdeltas, wurde sie jahrzehntelang vom Eigner ihrem Schicksal überlassen.
Die «Blüemlere» ist eine Kämpferin.
Sie rostete einsam vor sich hin, des Schwimmens irgendwann nicht mehr mächtig, sodass die einst so stolze Lady mit Pfählen gestützt werden musste, um sie vor dem Umkippen und dem möglicherweise endgültigen Untergang zu bewahren – beziehungsweise vor der eigentlich angedachten Verschrottung.
Dass die «Blüemlere» nach mittlerweile mehr als 110 Jahren immer nochihre Kreise auf dem Thunersee zieht, verdankt sie einer Handvoll Enthusiasten, die sich Jahre und Jahrzehnte liebe- und aufopferungsvoll um sie gekümmert und ihr so ein zweites Leben ermöglicht haben. Sie verhinderten, dass aus dem abgestellten ein abgewracktes Schiff wurde – und sie konnten vor allem Wirtschaft, Politik und Bevölkerung für die Sache des legendären Schiffes begeistern.
Die Dampferbewegung, welche während rund 20 Jahren in der Region Thun, im Kanton Bern und in der ganzen Schweiz Menschen in veritablen Aufruhr versetzte, ist in ihrer Geschichte wohl bis heute einzigartig; es war ein Aufstand der Zivilgesellschaft, bevor dieser neuzeitliche Begriff überhaupt erfunden war.
Einzigartig sind denn auch die staatlichen Mittel, die in diesen Jahren dafür aufgeworfen wurden,privatwirtschaftliche Versäumnisse zu korrigieren; Steuergelder, die via Volksinitiativen in eine private Firma gepumpt wurden, und eine Bevölkerung, die darob in veritable Begeisterungsstürme verfiel.
Wer beobachtet, wie verpönt es heute ist, staatstragende Firmen mit Steuergeldern zu subventionieren, der staunt beim Blick in die Archive, wie viel Geld damals für etwas ausgegeben wurde, das heute weitum als Liebhaberei bezeichnet wird und dessen wirtschaftlicher Nutzen und Rentabilität erst in jüngerer Vergangenheit wieder erkannt wurde.
Einer zunächst fünfköpfigen Gruppe, die unter dem Namen Pro Dampf agierte,ist es zu verdanken, dass vorab die geplante Verschrottung der Blümlisalp verhindert werden konnte. Die fünf brachten das Thema auch rasch aufs kantonale Politparkett, indem sie bei der bernischen Regierung eine Bittschrift zur Rettung des letzten Thunersee-Raddampfers einreichten – unterzeichnet von fast 55'000 Personen!
Es war ein erster von zahlreichen Kraftakten dieser frühen Zivilgesellschaft, die dafür nötig waren, den einstigen Stolz der Thunerseeflotte wieder flottzumachen. Nachdem der Verein Schweizerisches Dampfmuseum Thun 1975 das Verholen des Schiffes ins Kanderdelta ermöglicht hatte, waren es zwölf unermüdliche Idealisten, welche den Raddampfer mit einfachsten Mitteln so gut wie möglich unterhielten und vor dem Zerfall bewahrten.
Auch die Gründung der Genossenschaft Vaporamamit dem Zweck der Rettung des einzigartigen Schiffes im Jahr 1982 brachte nicht sofort Schub in das Vorhaben, selbiges zu retten. Es war eine Volksinitiative nötig, die erst 6 Jahre später mit mehr als 40'000 Unterschriften eingereicht wurde und den Kanton Bern verpflichten sollte, ein Gesetz für die Erhaltung der letzten beiden bernischen Raddampfer zu erlassen – welches dann 4 Jahre später auch tatsächlich angenommen wurde.
Die Dampferfans landauf, landab kämpften weiter engagiert auf eigene Faust für ihre Sache.
Die Dampferfans landauf, landab mochten indes nicht auf die Politik wartenund kämpften weiter engagiert auf eigene Faust für ihre Sache: 1989 kaufte Vaporama das Schiff der BLS für einen symbolischen Franken ab und sanierte es zwischen 1990 und 1992 in Eigenregie – und nicht zuletzt dank der enormen Solidarität von Berufsverbänden, Firmen und anderen Organisationen, die nicht nur Barspenden beitrugen, sondern Know-how, Material und Manneskraft mit einbrachten.
Den Löwenanteil der Kosten, zwei Drittel von insgesamt 9,3 Millionen, finanzierten einmal mehr private Spender, das letzte Drittel wurde durch Beiträge des Lotteriefonds des Kantons Bern, des Bundesamtes für Kultur sowie der Stiftung Pro Patria gedeckt.
Nachdem das Stimmvolk den Kanton Bern in einer Volksabstimmung mit grossem Mehrdazu verpflichtet hatte, den Betrieb des Dampfers mitzufinanzieren, und nach Abschluss der Renovationsarbeiten war es dann am 22. Mai 1992, heute vor 25 Jahren, so weit: Die «Blüemlere» fuhr unter den Augen Tausender Schaulustiger rund um den ganzen Thunersee zu einer wahrhaft triumphalen 2. Jungfernfahrt aus – und manch einer, der damals zugegen war, dürfte milde lächeln, wenn er heute hört, wie die sogenannte Zivilgesellschaft als neues staats- und gesellschaftstragendes Element gefeiert wird.
Seither ist die «Blüemlere» auf dem Thunersee wieder das, was ihre Besteller einst geordert hatten:ein Schiff, welches alle anderen Schiffe auf dem Thuner- und dem Brienzersee an Grösse, Leistungsfähigkeit und Eleganz übertrifft – zumindest in Bezug auf die Eleganz und die Strahlkraft.
Dass der Stolz der Thunerseeflotte seit 2013 auch wieder Flaggschiff der BLS-Schifffahrt ist, ist nicht zuletzt dem Verein Freunde der Dampfschifffahrt zu verdanken. Er unterstützte den Unterhalt des Schiffes seit seiner Gründung im Jahr 1993 mit namhaften Beträgen, so namentlich auch die letzte Grosssanierung im Jahr 2006.
Mit der Rückgabe des Schiffes für einen symbolischen Franken an die BLSwurde die Stiftung Vaporama per Ende 2012 dann auch aufgehoben, da das Ziel – die Gründung eines schweizerischen Dampfmuseums – nicht hatte erreicht werden können. Die Genossenschaft Vaporama als ehemalige Besitzerin des Schiffes besteht weiter. Sie will ihre Aktivitäten in Zukunft verstärkt auf die Nachwuchsförderung ausrichten und ihre Fachkompetenz dafür einsetzen.
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