Das Berginnere zieht magisch an
Über 2300 Personen haben den Lötschberg-Basistunnel allein im ersten Halbjahr 2009 von innen gesehen, Tendenz steigend. Schulklassen, Modelleisenbahner und Ingenieure sind fasziniert von der Technik im Berg.

«Papi – ist das aber ein langer Tunnel», jammert ein Knirps im vollbesetzten Intercity Bern– Brig. Der Junior weiss nicht, dass der Zug den 35 Kilometer langen Lötschberg-Basistunnel in nur 12 Minuten durchquert und in 23 Minuten die beiden Verkehrsknotenpunkte Spiez und Visp verbindet. Der angesprochene Papi hingegen möchte mal sehen, wie das viel erwähnte «Wunder der Technik» funktioniert. Doch dafür muss er sich nach der Anmeldung bei der BLS-Netz AG in Frutigen mindestens einen Monat gedulden, bis er mit seinem Besuch im Tunnel an der Reihe ist.
Über 500 Interessierte zogen die Tunnel und Kavernen tief unter dem Lötschbergmassiv im ersten Quartal 2009 an; im zweiten waren es bereits deren 1800, Tendenz steigend. Die Leiterin Besucherwesen Therese Klossner sagt dazu: «Um das Kontingent von einer Führung pro Tag mit maximal 28 Teilnehmern einzuhalten, muss ich Interessierte immer öfter auf einen späteren Zeitpunkt vertrösten – oder ich zeige ihnen Alternativen in der Region auf, wie zum Beispiel den Besuch im Tropenhaus Frutigen.»
Wie ein Emmentaler?
Den heutigen, zweieinhalb Stunden dauernden Besuch hat ein Käsereiteam gebucht. Es weiss, wie die Löcher in den Emmentaler kommen. Aber wie sieht das mit den Löchern bei einem Berg aus? Bereits beim Modell des Basistunnels im Schulungsraum des Interventionszentrums beim Bahnhof Frutigen entpuppt sich «das Chaos» als wohldurchdachte Wunderwelt der Technik, das die Neue Alpentransversale zur vorläufig modernsten Tunnelanlage der Welt macht.
Annelies Rösti, seit 2001 Gruppenleiterin, hat sich ein umfangreiches Wissen angeeignet, mit dem sie der Gruppe komplizierte Zusammenhänge der Baugeschichte, des Betriebs und der Sicherheit leicht verständlich weitergibt und Fragen kompetent beantwortet.
In 15 Minuten einsatzbereit
Die kurze Besichtigung des Lösch- und Rettungszuges zeigt, dass nach menschlichem Ermessen auch gefährliche Situationen beherrschbar sind. Verantwortlich dafür sind ein Lokführer auf Pikett rund um die Uhr und eine durchtrainierte Mannschaft, die 15 Minuten nach Alarmeingang losfahren kann.
«Ab ins Loch!»
Und nun gehts für die Besucher richtig los – ab ins Loch. Die Fahrt im Bus führt zuerst ans Nordportal des Tunnels mit der Interventionsstelle Frutigen. Unterwegs Richtung Mitholz erklärt die Bärenführerin den Gästen die Nutzung des warmen Tunnelwassers im Tropenhaus, welches am 21.November in Betrieb gehen und so die ökologische Gefahr des Warmwassers für die Engstligen entschärfen soll.
Beim sanierungsbedürftigen Mitholz-Strassentunnel beantwortet Annelies Rösti kritische Fragen eher diskret; bei der Einfahrt in den Bahntunnel hingegen gibt sie detailliert Auskunft. Nach der Fahrt durch die Luftschleuse zur bahntechnisch nicht ausgerüsteten Tunnelröhre West verlieren die Besucher rasch die räumliche Orientierung. In welcher Richtung das Wallis und Berner Oberland liegen, wird zum Ratespiel.
Staunen ist hier normal
Die Grösse einer mittleren Kirche und die technische Ausrüstungen in der Betriebszentrale Mitholz West lösen beim Publikum regelmässig ein Staunen aus. Ebenfalls die Versuchsstrecke, die im Massstab 1:1 darstellt, wie der Tunnel und seine Infrastruktur konstruiert sind. Im Tunnelmuseum hat auch die Laterne ihre letzte Ruhe gefunden, die der damalige Verkehrsminister, Bundesrat Adolf Ogi, am 12. April 1994 der BLS beim symbolischen Chlapf zum Sondierstollen geschenkt hat.
Sieben Sekunden sichtbar
Mit ihren ständigen Blicken auf die Uhr treibt Annelies Rösti die Besucher nicht zur Eile an. Sie will mit ihnen fahrplanmässig am Tunnelfenster sein, wo ganze sieben Sekunden lang ein mit 200 km/h vorbeirasender Intercity auftaucht.
Auf der Rückfahrt erwähnt Annelies Rösti den beim Tunnelvortrieb verwendeten – bei der Lagerung ungefährlichen – Zweikomponenten-Sprengstoff. Dank dem war die ältere Generation im Kandertal beruhigt, der die Dynamitexplosion der Munitionskavernen im Mitholz vom Dezember 1947 mit vielen Todesopfern unauslöschbar im Gedächtnis haften geblieben ist. Rösti erzählt aber auch von Schulklassen, ausländischen Modelleisenbahnern, Ingenieuren und Regierungsdelegationen, die sie schon sicher durch das komplizierte Tunnelsystem führen durfte. So hat sich die Erfolgsgeschichte des Baus und Betriebs des LBT für alle beteiligten Firmen zum Referenzobjekt entwickelt, das nebst Besuchen der allgemeinen Öffentlichkeit viele Fachgruppen aus der ganzen Welt anlockt.
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