Das Auge, das stets mehr sah«Sali, ich bi de Beat»
Zum Tod von TA-Fotograf Beat Marti. Von Fredy Wettstein
Sein letztes Bild, das in dieser Zeitung gedruckt wurde. Es zeigt zwei Curlingspieler, sie stehen Rücken an Rücken in der leeren Halle, blicken in die Kamera, man könnte auch schreiben: in ihre Zukunft, sie sind zwei grosse Talente, vor ihnen liegen nebeneinander zwei Steine. Es ist kein spektakuläres Bild, aber es zeigt, was es zeigen muss, im richtigen Licht, in der passenden Perspektive, farblich schön. Es ist ein typisches Bild von Beat Marti. Starkes Handwerk, fototechnisch stimmt alles, ein Porträt und doch mehr als ein Porträt. Handwerk war für ihn immer wichtig, das Wichtigste beim Fotografieren. Und als er am Anfang seiner beruflichen Karriere stand, war noch die Hand das Wichtigste, nicht die Technik, die heute vieles ersetzen kann. Bei ihm entstand Kunst durch Handwerk. Aber er wollte kein Künstler sein. Und bestimmt war Beat Marti bei diesem Fototermin in Wetzikon schon früh vor Ort. Er war überall und immer frühzeitig bereit und vorbereitet, beim Skirennen in noch fast dunkler Nacht auf der Piste, im Stadion, im Zirkuszelt bei einer Premiere, bei wichtigen Pressekonferenzen. Er war jeweils angespannt, auch nach 40 Berufsjahren noch, er wollte sich nie überraschen lassen, sich nie den Vorwurf machen müssen, es hätte einen noch besseren Standort gegeben, um zum besten Bild zu kommen. Schon in den 70er-Jahren hatte er als freier Fotograf für den «Tages-Anzeiger» gearbeitet, 1980 wurde er fest angestellt, und auch nach seiner frühzeitigen Pensionierung 2008 war er weiter für diese Zeitung unterwegs. Beat Marti stellte sehr hohe Ansprüche, zuallererst an sich selber. Und wenn es um ein Porträt ging, dann war es ihm wichtig, mit der Person vorher reden zu können, zu plaudern. Er ging auf alle zu, wie unbekannt oder berühmt sie auch waren, «Sali, ich bi de Beat», er redete mit ihnen über irgendetwas, und er machte oft einen Spruch, ermöglichte so fast immer eine lockere Atmosphäre, die Voraussetzung für das gute Bild. Was Beat Marti nie wollte und wenn immer möglich vermied: ein Bild zu inszenieren. Er wollte zeigen, wie es in Wirklichkeit ist, durch sein Auge. Aber weil sein Auge oft mehr sah, als unser Auge sieht, weil er Personen und Umgebung harmonisch verbinden oder auch in einen Gegensatz stellen konnte, waren seine Bilder besonders. Viele einzigartig. Typische «Beat-Marti-Bilder» eben. Er konnte sehr gut beobachten. Er liebte die Menschen, er liebte die Tiere, kaum ein anderer machte so aussergewöhnliche Pferdesportbilder. Und er liebte Landschaften, denn Landschaften können nicht lügen, aber Landschaften können verschieden wahrgenommen werden, durch das Licht, die Stimmung, das Wetter. Durch das Auge, sein Auge. Draussen fühlte er sich am wohlsten, in der Natur, beim Wandern, beim Pilzesuchen. Er konnte geniessen, aber es brauchte nicht viel, damit er geniessen konnte, eine einfache Beiz genügte ihm, eine Wurst, ein Bier. Er selber konnte vorzüglich kochen. Beat Marti war immer direkt, er sagte, was er dachte, oft mit einem Witz verbunden, aber es gab Momente, da sagte er auch nichts, war er knorrig, unwirsch, manchmal auch unbequem, etwas komisch fand man ihn dann. Was er trotzdem immer blieb: herzlich, kollegial, sehr sensibel. Er hatte eine Seite, die fast allen hinter seiner Fröhlichkeit verborgen blieb, hinter seinem Wesen und seiner grossen Ausstrahlung. «Pfannenflicker», sagte er oft zu jemandem, zu uns Journalisten immer wieder und gerne, um uns zu zeigen, wie wenig Ahnung wir haben, oder: «Du Luuszapfe», dabei lachte er. Er versteckte vieles hinter seinem lauten Lachen. In der Nacht zum vergangenen Donnerstag sah er für sich keine Lösung mehr. Seine Krankheit hat ihn so weit getrieben. Beat Marti war 64-jährig. Seine Bilder waren besonders: Beat Marti 2003 vor seinem Archiv. Foto: Tom Kawara
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