Das Adelbodner Vogellisi erhält eine Seele
Die Oberländer Märlibühni spielt dieses Jahr im Juli und August in Steffisburg eine faszinierende Geschichte zum Thema Freiheit. Doch damit nicht genug.

Es ist eine kaum greifbare Gestalt, das legendäre Adelbodner Vogellisi, auch wenn wohl jeder im Land das Lied über sie kennt. Auch im neuen Adelboden-Buch wird die Person nicht viel deutlicher als in den bisherig bekannten Überlieferungen.
Ist es wirklich eine junge lebensfrohe Fotografin? Oder doch eine alte Kräuterfrau? Diese weite Spanne lässt viel Platz für eigene Ideen und Geschichten, also ideal für ein Märchen. Und genau so eines erzählt die in Adelboden aufgewachsene Annemarie Stähli-Richard in ihrem Vorlesebuch für Kinder ab 7 Jahren «Vogellisi».
Das Vogellisi erhält so seine eigene Geschichte. Daraus ist zudem ein Theaterstück für die Oberländer Märlibühni entstanden, das im Sommer in Steffisburg aufgeführt wird (siehe Zweittext).
Kulturen prallen aufeinander
Was trieb die Pädagogin und langjährige Regisseurin an, sich an diese spezielle Figur zu wagen? «Wir wollten schon länger mit der Märlibühni ein Naturmärchen aufführen. Im Mittelpunkt unseres Interesses stand dabei immer der Klassiker «Heidi». Doch plötzlich merkten wir, dass wir ja hier auch so eine Figur haben, das Vogellisi.» Die Geschichte dreht sich um ein Mädchen, das um 1900 in Adelboden ein hartes und karges Leben führt.
Aber das unbekümmerte Naturkind liebt die Berge über alles. Ganz besonders angetan haben es ihm Kräuter und Vögel, deren Sprache es gar beherrscht. Oft liegt es stundenlang im Gras und beobachtet den Adler, der erhaben und frei seine Kreise am Himmel zieht.
Nach dem Tod des Vaters muss Lisi auch die schwer kranke Mutter versorgen. Sie nimmt eine Stelle im Hotel Wildstrubel an. Hier begegnet sie Karl-Joseph, einem reichen, verwöhnten Erben, den Asthma und das allzu fürsorgliche Umfeld daran hindern, sich seinen grössten Lebenstraum zu erfüllen. Annemarie Stähli hat sowohl im Buch – und noch mehr im Bühnenstück – eigene Erlebnisse und Erinnerungen einbauen können, ist sie doch im Hotel Bellevue in Adelboden aufgewachsen.
«Es ist ein Märchen. Doch der Rahmen mit dem Aufeinandertreffen der armen Bergler und der reichen Touristen ist durchaus der Realität nachempfunden», sagt die Autorin. Doch welche Rolle spielen die Kräuterfrau Guandalenda und ihr sprengstoffbegeisterter Bruder Tuck – und wie wird aus Lisi schliesslich das Vogellisi?
Der ernste Hintergrund
Das Lisi im Buch kann mit Vögeln reden und kennt die Heilkraft der Alpenkräuter. Damit nimmt die Autorin Aussagen auf, die mit der Figur in Adelboden verbunden werden. Doch trotz aller Faszination für erfundene Geschichten: Märchen haben meist einen ernsten Hintergrund.
Im zweiten Märchenbuch von Stähli geht es um Freiheit und darum, sich Freiräume zu schaffen.
Im zweiten Märchenbuch von Stähli geht es vor allem um Freiheit und darum, sich Freiräume zu schaffen – das lebendige Symbol dafür ist der Adler. Übrigens ist er das Wappentier von Adelboden. Es geht im Märchen um das Sprengen aus inneren und gesellschaftlichen Fesseln, aber auch um den Willen und die Möglichkeiten, Probleme zu bewältigen.
Das seien Themen für Kinder und Erwachsene. In der Geschichte, die von Karin Widmer illustriert wurde, kommt der Witz nicht zu kurz, und keine Sorge: Am Ende wird alles märchenhaft wieder gut. Gedacht ist das Buch für Kinder ab 7 Jahren.
Auch ein Marketingprojekt
Bekannt ist das Vogellisi als zentrale Figur im Schunkellied, das an Festen, am Skiweltcup oder sogar vom amerikanischen Singer-Songwriter Bruce Springsteen gern angestimmt wird. Nun gibt es eine zweite Version. Die Ballade wurde vom Frutiger Mundartmusiker Trummer aufgrund des Buches geschrieben (siehe Infobox).
Susanne Roth, verantwortlich für das Marketing, hat Traumtagebücher, Schreibetuis und so weiter mit Logo und Edelweisslook versehen. «Vielleicht finden wir ja einen Laden, der die Produkte ins Sortiment aufnimmt», hofft sie.
Die im Buch verwendete Kräutersalbe ist übrigens in einem kleinen Glas an jedem der in edles Leinen eingebundenen Bücher befestigt, hergestellt von der Frutiger Firma Puralpina. «Es ist toll, dass neben der eigentlichen Geschichte so viele kleine Nebengeschichten entstanden sind», sagt Roth.
Erlebniswelt in Planung
Noch nicht abschliessend geklärt ist ein weiterer Teil des Vogellisi-Projektes: Zusammen mit der Kulturreich GmbH von Annemarie Stähli, den Adelbodner Bergbahnen und dem Tourismus soll im Gebiet Sillerenbühl-Bergläger-Dorf eine Erlebniswelt für Familien entstehen, die auf dem Buch basiert.
«Die Geschichte soll nacherlebbar werden und die Leser und Wanderer emotional an Adelboden binden.»
«Die Geschichte soll so für die Kinder nacherlebbar werden und die Leser und Wanderer emotional an Adelboden binden», erklärt Mitinitiantin Renate Rubin. «Der Bezug zur Natur spielt eine wichtige Rolle, mit natürlichen Materialien soll die Fantasie gefördert werden und daneben einfach Spass und Freude bereiten.» Die Eröffnung ist für nächstes Jahr geplant.
Das Vogellisi gewinnt in diesem Jahr durch Annemarie Stähli Kontur, erhält eine Art Seele. Und wer weiss, vielleicht begegnet man dem Lisi auf der Wanderung vom Sillerenbühl ins Bergläger plötzlich ...
Die Buchvernissageist am 9. April in der Alten Taverne, Adelboden. Das 80-seitige Buch ist für 34.50 Fr. ab 10. April im Buchhandel und unter www.kulturreich.ch erhältlich.
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