Liebesgeschichten der Leser (4)«Darf ich Sie zum Tanz bitten?»
In der Liebe sind manchmal wenige Minuten entscheidend. Wie bei Heinz Ruch. Als Susi seine zweite Tanzeinladung ablehnte, wollte er schon aufgeben. Nur ein Zufall rettete das Glück.

Im November 1965 war ich 23 Jahre alt und im Wochenendurlaub vom ersten WK bei meinen Eltern in Burgdorf. Da sah ich die Annonce: «Tanz im Restaurant Landhaus» – ich entschied mich, hinzugehen.
Beim Eingang zum Saal des Restaurants löste ich die Eintrittskarte für den Tanzanlass. In guter Laune stieg ich die Treppe hoch und betrat den Saal. Er war schon ziemlich besetzt. Ich setzte mich an einen Sechsertisch, an dem drei Personen sassen. Die Serviererin, eine Frau um die fünfzig, die an meinen Tisch trat, fragte: «Wo sind Sie im Militär, in Burgdorf?» – «In Worb. Bin nur im Urlaub bei meinen Eltern in Burgdorf, sonst wohne ich in Zürich», antwortete ich. «Aha, was wünschen Sie zu trinken?» – «Ein Bier, bitte.» Sie verschwand und kehrte rasch mit dem Gewünschten wieder. In der Zwischenzeit sah ich mich im Saal um. Mir fiel eine junge Frau auf, die mit drei anderen an einem Tisch schräg gegenüber sass. Sie gefiel mir – enorm!
Endlich war es so weit, die Musikband begann zu spielen, und ich setzte mich sofort in Bewegung. Nicht dass einer mir zuvorkomme bei so einer schönen Frau, war mein Gedanke. «Darf ich Sie zum Tanz bitten?», sagte ich, mich zu ihr beugend. Sie sah mich an, lächelte und stand auf. Wir begannen zu tanzen. «Wie heissen Sie?», fragte ich. «Susi Kräuchi. Und Sie?» Es ging formell ab, dieses Gespräch. In jener Zeit war man nicht so schnell per Du. «Sind Sie aus Burgdorf?», fragte ich. «Ja, und Sie?» «Ich lebe in Zürich, bin nur im Urlaub bei meinen Eltern.» «Was arbeiten Sie?», fragte Susi. Ich erzählte ihr, dass ich Maschinenzeichner sei und seit einem Jahr in Zürich arbeite, vorher sei ich anderthalb Jahre in Neuseeland gewesen. Das habe sie beeindruckt, sagte sie mir später. Sooo weit weg! Der Tanz war zu Ende. Ich ging wieder an meinen Platz zurück und genoss das Bier. Die Band begann mit Rock ’n’ Roll. Ich ging zu Susi. «Nein, das kann ich nicht tanzen», sagte sie.
Ich akzeptierte. Enttäuscht ging ich an meinen Platz. Und was sah ich mit Schrecken? Susi tanzte! Ich war am Boden zerstört. Ich hatte einen argen Korb erhalten, dabei war ich in Susi bereits verliebt. Aber was machte ich, ich Gehörnter? Ich wollte meine Zeche bezahlen und den Tanzanlass verlassen. Aber die Serviererin kam nicht. So musste ich warten. Die Enttäuschung war riesig. Ich habe einfach kein Glück bei Frauen, jammerte es in mir.
Der Bandleader ergriff nach einer kurzen Pause das Mikrofon und sagte: «Nächster Tanz: Damenwahl!» Die Band begann zu spielen. Ich sah Susi fast fliegend über die Tanzfläche laufen. Mein Herz machte einen argen Hüpfer. «Von wegen nicht Rock ’n’ Roll tanzen», sagte ich. «Das war ein Schulkollege, der hat mich einfach auf die Tanzfläche gezogen. Dabei kann ich Rock ’n’ Roll wirklich nicht.» – «Du warst kein Draufgänger, hast einfach aufgegeben, als ich sagte, ich könne das nicht», sagte Susi später. Ganz ehrlich: Ich kann Rock ’n’ Roll auch nicht, auch Walzer nicht. Aber ich tanze einfach gerne.
Ich begleitete Susi an diesem Abend nach Hause, und wir vereinbarten, am Sonntag eine Wanderung zu machen. Seit fünfundfünfzig Jahren dauert die Wanderung an. Heute haben wir fünf Enkelkinder und einen Urenkel.
Heinz Ruch, Burgdorf
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