Daniel Epp: «Wir sind bereit für die Moto GP»
Zusammenarbeit mit Lüthi – und über die Zukunft des Berner Fahrers in der Königsklasse MotoGP ab nächster Saison.
Warum wird Tom Lüthi in diesem Jahr Weltmeister? Daniel Epp: Ich würde niemals sagen, dass Tom Lüthi Weltmeister werde. Das wäre unangemessen. Aber er ist einer von mehreren Fahrern, die das Potenzial haben, Weltmeister zu werden. Mit einem dritten und einem zweiten Rang hat Tom Lüthi in den ersten zwei Saisonrennen sehr überzeugt. Ist es schweizerische Bescheidenheit, nicht vom WM-Titel zu sprechen? Nein, absolut nicht, ich lebe ja schon seit 19 Jahren in Tschechien (lacht). Es ist vernünftig. Im Motorradsport kann so viel passieren, man ist abhängig von vielen Faktoren wie Technik, Team, Fahrerstärke, privates Umfeld des Fahrers, Konstellation und Konkurrenz, hinzu kommen Glück und Pech. Es ist ein extrem komplexes Business. Finden Sie aber auch, dass Lüthi zu den WM-Favoriten im Moto2 gehört und einen starken Eindruck hinterlässt? Er hat in den letzten Monaten tatsächlich einen grossen Schritt nach vorne gemacht, er ist selbstbewusster und reifer geworden, vor allem aber ist er erfahrener, und das ist im Motorradsport ein wichtiger Faktor. Wir haben ausserdem aus den Fehlern der Vergangenheit gelernt, wir wissen nun, in welcher Situation wir uns wie verhalten müssen. Tom muss sich wohl fühlen, das ist derzeit der Fall, er ist ausgeglichen, zudem wird im Team Deutsch gesprochen. Wir haben realisiert, dass die Kommunikation sehr wichtig ist, weil man an den Renntagen in kurzer Zeit Dinge verändern muss. Langjährige Beobachter sagen, Ihre Rolle sei absolut entscheidend für die Entwicklung Tom Lüthis gewesen und Tom Lüthi ist absolut entscheidend für meine Entwicklung gewesen (lacht). Wir haben uns gefunden. Und gefahren ist er den Töff immer selber. Wie so oft im Leben hat der Zufall eine grosse Rolle gespielt. Ich war schon vorher als Sponsor im Motorradsport tätig, 2002 sah ich Tom am Lausitzring zum ersten Mal fahren, das war in der IDM-Kategorie. Er war damals 15 Jahre alt. Ich habe sein Talent erkannt, aber das war nun auch nicht so schwierig. Später habe ich ihn eigentlich viel zu früh in der 125er-Kategorie eingesetzt, das war ein Lernprozess, denn es geht in diesem Sport nur Schritt für Schritt nach oben. Man lernt jeden Tag wieder etwas dazu. Und es braucht vermutlich einen vom Motorradsport besessenen Manager wie Sie, um immer weiter zu gehen und dabei den Fokus nicht zu verlieren. Ja, ohne Herzblut ist Erfolg unmöglich, aber das ist doch überall so. Das Leben im Motorradzirkus ist aufregend, es ist spannend und abwechslungsreich, aber es ist hart, weil man viel weniger planen kann als in der normalen Geschäftswelt. Als ich in Tschechien und vielen weiteren Ländern in Osteuropa ab 1991 eine Firma für Autoersatzteile aufbaute, lief alles, wie man es im Betriebswirtschaftsstudium gelernt hatte. Wir fingen klein an, bauten jeden Bereich sukzessive aus, es war ein gewöhnliches, relativ gut zu regulierendes Geschäft. Am Ende waren es 500 Angestellte und über 26000 Kunden, das lief wie am Schnürchen. Vor einigen Jahren verkaufte ich die Unternehmung, weil ich im Motorradsport eine Leidenschaft gefunden hatte, die mich nicht mehr losliess. Und jetzt bin ich zehn Jahre in diesem Geschäft dabei. Sehen Sie Ihr Engagement bislang als Erfolgsgeschichte? Jein. Am Ende zählen sicher die Resultate, und der WM-Titel 2005 von Tom Lüthi in der 125er-Kategorie war ein Höhepunkt. Aber es gab auch Rückschläge, manchmal will man zu viel. Geduld und Timing sind entscheidend. Man muss sich anpassen, da Reglemente jedes Jahr verändert werden können und neue Technologien entstehen. Und wie überall gibt es immer ein nächstes Ziel und noch ein nächstes. Man darf nie zufrieden sein, sonst steht man still. Die Moto-GP-Kategorie ist die Königsklasse, und nachdem Sie letztes Jahr bereits ein Team dort hatten, werden Sie in der nächsten Saison ja nun mit Tom Lüthi in der MotoGP fahren es sieht gut aus, ja, aber solange nicht alle Verträge unterschrieben sind und nicht alles finanziert ist, kann man nicht von einer definitiven Entscheidung sprechen. Wir haben uns diesen Schritt lange überlegt. Tom hat sich gut entwickelt, jetzt ist der Zeitpunkt gekommen, um in die MotoGP zu gehen. Diese Kategorie ist im Motorradsport wie die Champions League im Fussball, höher und besser geht es nicht. Sie ist das Ziel und der Traum von jedem, der sich in diesem Sport engagiert. Wir sind bereit für die MotoGP. Tom als Fahrer, sein Team und auch das Management. Wie viel Geld braucht es, um eine Moto-GP-Saison als Privatteam finanzieren zu können? Wir rechnen mit rund 4 Millionen Franken, die wir jährlich selber generieren müssen. Das ist viel Geld, doch ich habe gemerkt, dass nicht nur bei den Sponsoren die Bereitschaft vorhanden ist, ein Schweizer Team zu finanzieren. Ich habe vor einem Monat einen Businessclub gegründet, den Paddock MotoGP Club. Das wird ein Netzwerk mit Leuten aus Wirtschaft, Politik, Sport und Kultur sein, von denen jeder jährlich einen Beitrag von 10000 Franken oder 25000 Franken bezahlt. Sie werden an den Rennen bei uns in der VIP-Zone sein, und wer den höheren Betrag zahlt, kann auch Kunden in den Hospitality-Bereich mitnehmen. Ich habe in kurzer Zeit von vielen Leuten signalisiert bekommen, dass sie dabei sind. Die Idee ist, dass dieser Businessclub die Hälfte des Budgets finanzieren wird. Wir werden also an die zweihundert Leute brauchen. Ich bin zuversichtlich. Bis wann wollen Sie den Entscheid, in die MotoGP einzusteigen, kommunizieren? So schnell wie möglich, sicher aber im Sommer. Es gibt ja nach wie vor einige Fragen zu klären. Wir wissen zum Beispiel noch nicht genau, wie teuer eine Rennmaschine nächstes Jahr sein wird. Und man könnte ja auch versuchen, bei einem Werksteam unterzukommen. Doch wir werden weiter als Privatteam unterwegs sein und haben einen Dreijahresplan aufgestellt. Und welche Platzierungen von Tom Lüthi sind in diesem Dreijahresplan vorgesehen? Natürlich sind nicht auf Anhieb Spitzenplätze möglich, zudem kann es Verletzungen und technische Probleme geben, das haben wir in der Vergangenheit erlebt. Im ersten Jahr wird Tom im hinteren Teil fahren, vielleicht liegt mal ein Top-Ten-Platz drin. Es wird das Lernjahr sein. Die zweite Saison ist die wichtigste, da möchten wir uns in den Rängen fünf bis fünfzehn etablieren. Und im dritten Jahr wollen wir ständig in die ersten zehn Plätze und auch mal aufs Podest fahren. Ist ein Tom Lüthi, der in der MotoGP im Mittelfeld fährt, denn überhaupt interessanter als ein Tom Lüthi, der in der Moto2 um den WM-Titel mitfährt? Auf jeden Fall, das ist gar keine Frage. Das Grundinteresse an der MotoGP ist viel, viel höher, es ist die Königsklasse, jeder schaut darauf. Alles ist noch einmal wesentlich grösser, das ist eine komplett andere, völlig neue Welt. Als Lüthi 2005 in Valencia Weltmeister wurde, waren plötzlich 48 Schweizer Journalisten am Rennen dabei. Anfang Saison waren es zwei, drei gewesen das war ein Hype, klar, doch das kann man nicht vergleichen. Ich gehe mit den Höhepunkten wie mit Tiefschlägen gelassen um. Das nächste Rennen kommt immer. Und im Schnitt ist eine Teilnahme an der MotoGP einfach in jeder Hinsicht interessanter und reizvoller. Vor allem weil Tom jahrelang beharrlich gearbeitet hat, um dieses Ziel zu erreichen. Er hat sich bislang immer verbessert, er ist ein cleverer, schneller, starker Fahrer, dem man weiterhin sehr viel zutrauen darf. Auch in der MotoGP. Wäre es für Sie als Manager eigentlich interessanter, wenn Tom Lüthi Spanier wäre? Überhaupt nicht. Dann wäre zwar das Interesse in den Medien und in der Öffentlichkeit viel höher, aber die Konkurrenz unter den Fahrern auch. Derzeit wäre Lüthi dort vielleicht die Nummer 4 oder 5 aller Piloten. Zudem ist in Spanien wie in Italien die Sponsorensuche derzeit äusserst schwierig. Und in Deutschland beispielsweise wäre zwar der Markt wesentlich grösser, aber dort ist der Motorradsport eine absolute Randsportart. Ein Stefan Bradl muss schon fast jedes Rennen in der Moto2 gewinnen, um überhaupt in den Zeitungen mit einem Bericht erwähnt zu werden. In den meisten Ländern nimmt der Fussball eine sehr dominante Rolle ein, in Deutschland kommt noch der Erfolg in der Formel 1 dazu. Es ist ideal, ist Tom Lüthi Schweizer. Wie sehen Sie denn Tom Lüthis Stellenwert in der Heimat? Er ist wieder gestiegen. Sobald er um Siege mitfährt, interessieren sich die Leute stärker für ihn. Fussball und Eishockey sind natürlich die grossen Sportarten, doch um einen WM-Titel spielen unsere Nationalmannschaften dort nicht mit. Ski alpin ist auch eine Hauptsportart, aber wird halt nicht in vielen Ländern ausgeübt. Es gibt Roger Federer, er steht über allen, aber Tom Lüthi hat sich in den letzten Jahren einen guten Namen erarbeitet und auch für hohe Einschaltquoten am Schweizer Fernsehen gesorgt. Und nun kommt mit der MotoGP im nächsten Jahr hoffentlich eine neue Dimension hinzu. Danach gibt es keine höhere Kategorie mehr, Sie haben Ihr Ziel erreicht. Was machen Sie in zehn Jahren? Leben Sie dann auf einer einsamen Insel in der Karibik? (überlegt sehr lange) In zehn Jahren? Dann bin ich 61 Jahre alt. Ehrlich gesagt, ich habe keine Ahnung, was dann sein wird. Ich werde aber sicher nicht in der Karibik faul herumliegen. Da kann ich sowieso immer für kurze Zeit hingehen, wenn ich möchte. Die Formel 1 reizt Sie nicht? Ich habe allerhöchsten Respekt vor der sehr erfolgreichen Formel 1, die fantastisch vermarktet wird. Aber es gibt für mich kaum etwas Langweiligeres, als ein Formel-1-Rennen zu schauen. Das dürfen Sie so schreiben. Da passiert ja nichts. Und wenn etwas passiert, weiss man nicht genau, warum es passiert ist. Ich mag Sportarten, in denen man sieht, warum wer gewonnen hat. Wie Fussball. Oder eben wie bei uns, wo es noch viele enge Duelle zwischen den Fahrern gibt. Interview: Fabian Ruch, Estoril>
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