Nach der Flut im KemmeribodenDamit es in ein paar Wochen wieder Meringues gibt
Am 3. Juli geht der Landgasthof wieder auf. Aber es gibt noch viel zu tun und wird Jahre dauern, bis die Spuren der Flut vernarbt sein werden.

Es rattert, brummt und knattert. Sie baggern, schaufeln, hämmern und bohren. Im Kemmeriboden in der Gemeinde Schangnau wird kräftig gebaut. Nicht nur in den verschiedenen Gebäuden, die zum Unternehmen des weitherum bekannten Landgasthofs gehören, sondern auch hinter dem Areal.
Am 3. Juli soll der Gastronomiebetrieb wiedereröffnet werden. Am 4. Juli jährt sich das Unglück, das für immer mit der bald 200-jährigen Geschichte des Unternehmens verbunden bleibt. Hinter dem Kemmeriboden ging ein derart starkes Gewitter nieder, dass die Emme innert Minuten anschwoll, über die Ufer trat und eine Flut das ganze Erdgeschoss des Restaurant- und Hotelbetriebs verwüstete.
Von Dreck zu Parkett
Als das Wirtepaar Reto und Alexandra Invernizzi drei Wochen später das Ausmass des Schadens präsentierte, stand es dort, wo einst das Restaurant war, im Dreck. Am Montag führten sie die Medien erneut durch ihr Haus. Jetzt stehen sie auf sauberem Parkett, und er erklärt: «Nur die Säulen, die Decke und die Lampen konnten wir erhalten, alles andere haben wir verloren.» 1,8 Meter hoch stand das Wasser und verwüstete die gesamte Einrichtung.
In der Gaststube soll ein langer Tisch an die Geschichte des Hauses erinnern, «Unwettertisch» nennt ihn Invernizzi. Vom originalen Balkenboden aus dem Baujahr 1834 seien Bretter extra dafür aufgearbeitet worden.
Effizientere Abläufe
Der Tisch steht noch ebenso wenig an Ort und Stelle wie die andere Möblierung. Denn die Arbeiten sind noch lange nicht abgeschlossen. In der Küche aber steht die Einrichtung. Sie sei komplett neu konzipiert worden, sagt Invernizzi, spricht von Prozessen, die optimiert werden könnten und von Effizienzsteigerung.
Gleichzeitig hat der Chef über etwa 70 Mitarbeitende Respekt vor dem Neustart. «Wir werden eine Kennenlern- und Trainingsphase brauchen, denn wir müssen die neuen Abläufe erst wieder verinnerlichen.»

Auch die Büroräumlichkeiten hätten nun dort angeordnet werden können, wo sie sinnvoll seien. Früher sei das in dem stark gewachsenen Betrieb nicht der Fall gewesen. Nun nahm man das Unglück im Kemmeriboden zum Anlass, drei Gebäudeteile aus verschiedenen Zeiten mit einem Zwischenbau zu ersetzen.
Die 7. Generation redete mit
Zwischen dem Landgasthof und dem alten Käsespeicher wurde ein flacher Baukörper mit verglaster Front realisiert. Dort werden die Réception und dahinter die Büros angesiedelt. «Manhattan» nennt das Ehepaar Invernizzi diesen Zwischenbau.
Der Name passe zwar nicht recht ins Emmental, sagt er, aber die Idee stamme von seinem Vater Heiner Invernizzi, der im vergangenen September verstorben ist. «Für ihn machen wir das», sagt sein Sohn, der den Betrieb in sechster Generation führt.
Die 7. Generation, zwei Töchter, habe beim Wiederaufbau des Betriebs ebenfalls mitreden können. Laut ihrem Vater haben sie bestimmt, dass der Spielplatz neu nicht mehr hinter dem Haus, sondern davor stehen wird.
Viele Spuren werden bleiben
Noch ist von den Spielgeräten nicht viel zu sehen. Mit den Umgebungsarbeiten sei man ohnehin im Verzug, muss Reto Invernizzi gestehen. Das hänge mit dem Wetter zusammen. Es sei zu nass, als dass die Arbeiten ausgeführt werden könnten.
Überhaupt ist nicht zu erwarten, dass bis in wenigen Wochen im Kemmeriboden nichts mehr zu sehen sein wird von den Folgen der Flut. Insbesondere hinter dem Hotelareal wird die Natur erst noch ein paar Jahre arbeiten müssen, bis sich die von Menschenhand vorgenommenen Änderungen harmonisch in die Landschaft einfügen werden.
Das Bachbett der Emme wurde verbreitert, ein Damm wurde aufgeschüttet, die Strasse verlegt und entlang des Hotelgebiets eine Mauer errichtet. Jetzt dominiert diese das Bild. Aber dereinst soll sie noch zwei Meter aus dem Boden ragen, begrünt und von Büschen umrankt sein. So jedenfalls stellt sich das Schangnaus Gemeindepräsident Beat Gerber vor.

Sollten spätere Gewitter die Emme wieder anschwellen lassen, könnte das Wasser hinter dem Damm gesammelt werden. Die Mauer soll verhindern, dass es je wieder auf das Hotel zulaufen wird.
Es war stets Beat Gerbers Ziel, dass die Gemeinde den Hochwasserschutz gewährleisten kann, sobald das Kemmeribodenbad wieder aufgeht. Dass das in derart kurzer Zeit zu gelingen scheine, mache ihn stolz, sagte er vor den Medien. Das Baugesuch konnte erst publiziert werden, als die ersten Arbeiten bereits begonnen hatten. Einsprachen gab es keine.
«Demütig und dankbar»
Auch im Landgasthof lief alles parallel: Bauen, Planen, Bewilligungen einholen. Das habe insbesondere auch von den Handwerkern grosse Flexibilität erfordert, sagte Denise Hiltbrunner, Architektin und Bauleiterin von ATS Architektur. Denn oft hätten sich die Pläne sehr kurzfristig geändert.
Dass es möglich wird, den Betrieb nach einem Jahr Auf- und Umbauzeit wieder betreiben zu können, «macht uns demütig und dankbar», sagte Reto Invernizzi. Am 3. Juli will das Paar die Wiedereröffnung mit den Einheimischen feiern. «Gemeinsam wollen wir auf dem Damm eine Andacht abhalten und zwei Linden pflanzen.»
Und dann werden im Kemmeriboden wieder Meringues serviert.
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